Landeshauptstadt: Bonbonfarben und haltlos schräg
Zehnter Geburtstag: „Caligari-Halle“ im Filmpark, Potsdams größter Veranstaltungsort, bekam Dekoration eines Hollywood-Films geschenkt
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Zehnter Geburtstag: „Caligari-Halle“ im Filmpark, Potsdams größter Veranstaltungsort, bekam Dekoration eines Hollywood-Films geschenkt Silberbesteck ist das Stichwort, auf das sich die Menschen in Sabine Jerchels Containerbüro biegen vor Lachen. Das Silberbesteck – es hat für die schönste Anekdote gesorgt, die sich aus einem Jahrzehnt Caligari-Halle erzählen lässt. Es war der 1. Mai 1996, und die Crew des Filmparks der Verzweiflung nahe. Der Grund: das Silberbesteck. Eine wohlhabende Firma, für diesen Abend Gastgeber eines Galadiners in der Caligari-Halle, hatte es gebucht. Überaus edel sollten die Tische aussehen, die 450 Gäste nur das Feinste in den Händen halten – trotz Aufpreis. „Leider hatte ganz Berlin nicht so viel Silberbesteck“, sagt Sabine Jerchel, Chefin der Special-Events-Crew. Nur in München, bei den Sterne-Gastronomen von Käfer, fanden sich entsprechende Mengen Messer, Gabeln und Löffel. Kein Problem, meinte man im Filmpark, und orderte einen Paketservice, das wertvolle Silber nach Babelsberg zu bringen. Allerdings war der Osten Deutschlands damals wohl noch unberührtes Terrain für den Lieferdienst – das Besteck jedenfalls landete zunächst in Hamburg, bevor es der verzweifelte Paketservice zurück zum Absender nach München brachte – einen Tag vor dem Galadiner. Nun mussten die Babelsberger einen Weg finden, Silber für 450 Personen, das auch ein beträchtliches Gewicht hat, auf dem schnellsten Weg aus dem Süden in den Nordosten der Republik zu befördern. „Das ging nur mit einem Linienflug“, erinnert sich Hille Euing vom Events-Team. Allerdings nicht mit jedem – denn ein überbuchter Flieger lässt sich spontan nicht noch mit kiloweise Silber beladen. „Also mussten wir den nächsten nehmen, und als das Besteck in Tegel ankam, waren die Galagäste schon auf dem Weg.“ So gab es nur eine Möglichkeit, das Silber rechtzeitig nach Babelsberg zu bekommen: per Hubschrauber. In Windeseile trieben die Babelsberger den Verkehrshelikopter eines Berliner Radiosenders auf, holten sich die eigentlich zwei Wochen im Voraus zu beantragende Landegenehmigung für den Heli – und deckten die Tische ein, während die 450 Gäste im Foyer nichts ahnend Champagner tranken. „Da sind wir mit einem blauen Augen davon gekommen“, sagt Hille Euing. Heute allerdings ist das Veilchen längst verblichen. Bonbonfarben und haltlos schräg wie eh und je kommt die Caligari-Halle daher, die Fassade expressionistisch, dahinter ein ungeahnt schlichter Industriebau aus Metall. Er ist mit 1700 Quadratmetern Fläche Potsdams größte Veranstaltungshalle – und sie präsentiert sich zu ihrem zehnten Geburtstag schön wie nie zuvor. Mit meisterlicher Überredungskunst hat Filmpark-Chef Friedhelm Schatz nämlich Oscar-Preisträger Kevin Spacey, der im vergangenen Winter seinen Film „Beyond the Sea“ nebenan in den Babelsberger Studios drehte, davon überzeugt, der Caligari-Halle einen prachtvollen Kulissenbau zu überlassen. So schmückt nun das original nachgebaute „Coconut Grove“, in den Fünzigerjahren eine Kult-Bar in Beverly Hills, die Halle. „Zitate aus der Kulisse“ sind die große Bühne mit ihren goldumrahmten Säulen und dem lindgrünen, glänzenden Stoff für Friedhelm Schatz – schließlich musste der Bühnenbauer des Studios, Oliver Humpke, das Bauwerk der Babelsberger Filmhandwerker leicht modifizieren, damit es in die Caligari-Halle passt. Nun aber sitzt die Kulisse wie angegossen. Und zieht die Interessenten an. Im Oktober will die PDS im Ambiente von „Beyond the Sea“ – der Film erzählt die Lebensgeschichte des in den USA legendären Musikers und Sängers Bobby Darin – ihren Bundesparteitag abhalten, für den Dezember sind Weihnachtsfeiern im original amerikanischen Fifties-Stil geplant. Auch die schönste Feier, die das „Coconut Grove“ bei Caligari wohl erleben wird, könnte in die Weihnachtszeit fallen: Dann nämlich startet „Beyond the Sea“ in den US-amerikanischen Kinos, wie die Produzenten gestern wissen ließen. Auch für Deutschland hat sich bereits ein Verleih gefunden – selbst in Japan, Skandinavien, Korea, Portugal, im Nahen Osten, Griechenland, in der Türkei und in Flugzeugen weltweit soll Kevin Spacey als Bobby Darin zu sehen sein. Und wo ließe sich die Filmpremiere besser feiern als im „Coconut Grove“? Es wäre nicht das erste rauschende Fest, dass die „Caligari“ erlebt. Den Entschluss, die Halle zu bauen, trafen Friedhelm Schatz und Sabine Jerchel, als sich in den ersten Jahren nach der Wende die Anfragen häuften. „Jedes Unternehmen musste damals im Osten Flagge zeigen, und Potsdam war dafür ein guter Standort“, so Jerchel. In den Boom-Jahren 1995, “96 und “97 habe der Special Events-Bereich des Filmparks bis zu fünf Millionen D-Mark Jahresumsatz gemacht. Eine sprechende Autowaschanlage – „unsere seltsamste Veranstaltung“ (Jerchel) – erlebte ihre Premiere in der Halle, Stars wie Shaka Khan, Max Raabe und sein Palastorchester und Bonnie M. traten hier auf, Politprominenz wie Johannes Rau, Manfred Stolpe und Joschka Fischer gab sich die Ehre. Letzterer wird sich an den Bundesparteitag der Grünen 1994 in der „Caligari“ wohl immer noch erinnern können – schließlich musste der heutige Außenminister hier seinen Pausenkaffee aus einem Weinglas trinken. Der Grund: Statt eines Gastronomiespülers hatte die Eventcrew nur eine „Spülmaschine für einen Mikrokosmos“ zur Verfügung. „Und die Grünen wollten auf keinen Fall Pappbecher, wegen der Ökologie“, erinnert sich Hille Euing. Was zur Folge hatte, dass ausgerechnet Joschka Fischer ohne Kaffeetasse da stand, vor dem TV–Interview allerdings unbedingt ein Koffein-Doping brauchte. Doch mit der Wirtschaftskrise Ende der Neunziger waren die goldenen Zeiten – und damit auch die lustigen Pleiten – erst einmal vorbei. Friedhelm Schatz verließ den Filmpark und widmete sich dem Aufbau des Bornstedter Kronguts, die Special Events wurden an einen externen Dienstleister übertragen. „Das war eine traurige Geschichte“, sagt Jerchel. Konzepte und Preise hätten sich kaum verändert, doch die Unternehmen hätten ihre Etats für Präsentationen und Galas enorm zusammengestrichen. Darauf habe man sich jetzt eingestellt. Das fünfköpfige Team, unterstützt von zwei Auszubildenden, bemühe sich, Angebote und Preise allgemein verständlich und kompakt an die Unternehmen zu bringen – „denn oft arbeiten die Firmen nicht mehr mit Agenturen zusammen, sondern beauftragen ihre eigenen Mitarbeiter mit der Organisation “, so Jerchel. Der Special Events-Bereich verstehe sich deshalb als „Full-Service-Anbieter“, von den Künstlern über das Büfett bis zur Bestuhlung könne alles gebucht werden. „Und was wir versprechen, das halten wir auch. Das ist eine Frage der Ehre“, sagt die Chefin. Bald allerdings könnte der Filmpark selbst seiner „Caligari“ Konkurrenz machen: Der Bau einer Veranstaltungshalle mit 4000 Zuschauerplätzen ist geplant. Das wäre dann die größte Halle Brandenburgs – und wohl das Ende für die „Caligari“. Ein neuer Bebauungsplan für die Medienstadt sieht nämlich ihren Abriss vor. „Wann das passiert, steht allerdings in den Sternen“, versichert Jerchel.
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