Aus dem GERICHTSSAAL: Böser Brief an den OB
Jüdischer Zuwanderer beleidigte Amtsmitarbeiterin
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Aus dem GERICHTSSAALJüdischer Zuwanderer beleidigte Amtsmitarbeiterin Fast scheint es, als glaube Sergej S.* (34), die Welt habe nur um ihn zu kreisen. Auf seine Rechte pocht der jüdische Zuwanderer aus der Ukraine energisch. Und wehe, jemand stellt sich seinem jeweiligen Ansinnen in den Weg. Dann kann der Ökonom durchaus seine gute Kinderstube vergessen. Das bekam im Vorjahr auch eine Mitarbeiterin des Sozialamtes zu spüren. Sie erstattete Anzeige. Sergej S. erhielt einen Strafbefehl über 150 Euro wegen Beleidigung und übler Nachrede. Dagegen legte er Einspruch ein. Jetzt kam es zur Gerichtsverhandlung. Der zartgliedrige Mann auf der Anklagebank strotzt vor Selbstbewusstsein. Wenn er der Behördenangestellten in einem Schreiben an den Oberbürgermeister Antisemitismus und Missbrauch ihrer Stellung vorgeworfen habe, sei dies durchaus berechtigt. Schließlich habe sie ihm Knüppel zwischen die Beine geworfen, als er sich weiterbilden wollte, um baldmöglichst eine qualifizierte Arbeit zu finden. Und sie trage auch Schuld daran, dass es mehrfach zu Differenzen bei der Auszahlung seiner Sozialhilfe gekommen sei. Die betreffende Mitarbeiterin – so die Ansicht von Sergej S. – verweigere ihm überdies Sachleistungen, die jedem Sozialhilfeempfänger zuständen. Sie weide sich daran, dass er sich regelmäßig in die lange Schlange vor ihrem Zimmer einreihen müsse. „Wenn ich dann dran bin, schreit sie und wirft mich aus dem Büro“, schmollt SergejS. Er habe seine Ankündigung, sich mit Handschellen vor dem Rathaus anzuketten, um auf die judenfeindliche Einstellung der Sachbearbeiterin hinzuweisen, durchaus ernst gemeint. „Wenn eine Behörde eine andere Auffassung hat als sie, können Sie nicht zwangsläufig auf Diskriminierung wegen ihres Glaubens schließen“, hält Richterin Judith Janik dagegen. „Außerdem wurden Ihre Anträge auf Bekleidungsbeihilfe und Weihnachtsgeld zügig bearbeitet.“ „Herr S. kam meist sehr erregt in unsere Behörde,“, erinnert sich Sozialamts-Mitarbeiterin Rosemarie R.* (50) im Zeugenstand. „Er hat sich ständig übervorteilt gefühlt.“ Als sie einen weiteren Deutschkurs ablehnte, da er nunmehr Bewerbungen um Arbeitsstellen nachweisen sollte, habe er ihr Antisemitismus vorgeworfen, schluchzt Rosemarie R. „Sie rücken sich und Ihre Bedürfnisse sehr stark in den Vordergrund“, rügt die Vorsitzende den Angeklagten und rät, den Einspruch zurückzunehmen. Nach kurzer Beratung mit seinem Anwalt folgt Sergej S. dieser Empfehlung. (*Namen geändert.) Hoga
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