Landeshauptstadt: Braucht Potsdam Stadtteile für Reiche?
18. Sitzung des Stadtforums beschäftigte sich mit der sozialen Stadtteilentwicklung
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18. Sitzung des Stadtforums beschäftigte sich mit der sozialen Stadtteilentwicklung Von Günter Schenke „Es muss auch Stadtteile geben, wo die Reichen wohnen, die anständig Steuern zahlen.“ Mit dieser Ansicht provozierte Jan Drews, Leiter des Instituts für Stadtentwicklung und Wohnen (ISW) Donnerstagabend auf einer Sitzung des Stadtforums. Seine Meinung erntete relativ milden Widerspruch. PDS-Stadtverordneter Ralf Jäkel führte ins Feld, dass der Verlauf des Forums doch zu der Ansicht geführt habe, dass eine soziale Durchmischung in den Stadtteilen der anzustrebende Zustand sei. Der sozialräumliche Status von drei Potsdamer Stadtteilen stand auf der Tagesordnung: der Schlaatz, das Babelsberger Sanierungsgebiet und die Brandenburger Vorstadt. Von den drei Gebieten könnte der Schlaatz am ehesten „kippen“. Zwar malte Carsten Hagenau namens der hier tätigen Wohnungsunternehmen ein positives Bild, weil es zum Beispiel gelang, den Leerstand von elf auf unter vier Prozent herunterzufahren, weil das Durchschnittsalter sinkt und weil es trotz eines Ausländeranteils von acht Prozent keine ausländerfeindlichen Demonstrationen gibt. Die sozial Schwachen, zu denen auch die Studierenden gehören, seien keine Problemgruppe. Heute leben am Schlaatz 35 Prozent weniger Menschen als 1990. 44 Prozent sind ab dem Jahre 2000 hinzugezogen. Ähnliche Umbrüche gab und gibt es auch in anderen Stadtteilen. Rainer Baatz vom Stadtkontor meint, dass die Instrumente, um die Vertreibung zu verhindern, rechtlich nicht haltbar gewesen seien und räumt für Babelsberg ein: „Das Angebot preiswerter Wohnungen ist geringer geworden.“ Wenn es wenigstens in den Sanierungsgebieten in den ersten Jahren nach der Wende noch einen gewissen Schutz für die angestammte Bevölkerung gab, so waren die Menschen in den anderen Stadtteilen völlig auf sich allein gestellt. So hat auch in der Brandenburger Vorstadt eine erhebliche Verdrängung stattgefunden, wenn sie auch nur in wenigen fällen „militante“ Formen angenommen hatte. Vor allem die gestiegenen Mieten nach der Sanierung zwangen viele Bewohner, sich nach kleineren und preiswerteren Wohnungen umzusehen. Mit Sicherheit dürften die „Reichen“ nicht auf dem Schlaatz wohnen. Wie die Berliner Soziologin Ingeborg Beer ermittelte, liegt die Zahl der Sozialhilfe- und Wohngeldempfänger sowie der Arbeitslosen hier erheblich über dem Durchschnitt der Stadt. Eine solche „Verarmung“ müsse nicht unbedingt zum „Kippen“ eines Stadtteils führen, meint Reiner Pokorny, Controlling-Chef der Stadtverwaltung, optimistisch. Man müsse immer nach den Potenzialen suchen, die es auch bei „sozialer Degradation“ gebe. Eine Diplomarbeit von Britta Trostorff von der FU Berlin über die Brandenburger Vorstadt wirft die Einteilung von Reich und Arm, Alt und Jung, Singles und Familien als soziale Kategorien über den Haufen. Es gibt nämlich außerdem „Milieugruppen“, also Leute, die trotz unterschiedlichem sozialen Status in einem Kiez wohnen, den sie lieben und für den sie sich engagieren.
Günter Schenke
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