BÜRGERBEFRAGUNG DURCH DIE ANDERE: Brauhausberg Favorit unter Sonstiges Gegen den Wiederaufbau des Stadtschlosses
Gericht stoppt Stadtverordneten Grünberg: Eilantrag abgelehnt / Auswertung schwieriger als erwartet
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Das Verwaltungsgericht hat zum zweiten Mal innerhalb von drei Wochen gegen einen Eilantrag auf Unterbindung der Bürgerbefragung entschieden. Nachdem der Antrag auf Rechtsschutz des Potsdamer Studenten Mario Schenk am 14. Dezember abgelehnt worden war, scheiterte am Dienstagabend der Stadtverordnete Kai Grünberg (Die Andere) mit seinem Ansinnen. Er beantragte in seiner Klageschrift, dass die Bürgerbefragung durch das Gericht als „manipulativ und daher rechtswidrig“ festzustellen sei sowie die Aussetzung der Ergebnisverkündung bis zum Ende des Hauptsacheverfahrens. Nach Ansicht des Gerichts war der Eilantrag nicht gerechtfertigt, die Ergebnisse können nach dem Ende der Auszählung heute Abend verkündet werden.
Mike Schubert, Fraktionschef der SPD, erklärte, das Verhalten Grünbergs zeige, „dass es seiner Fraktion ums Verhindern und nicht ums Verändern geht“. Er sieht nun endgültig bestätigt, dass die Befragung der Stadt „von der Fraktion Die Andere missbraucht wurde“. Die Fraktion hatte parallel zur Befragung der Stadt eine eigene Befragung durchgeführt und die Potsdamer aufgefordert, den Fragebogen auch in den städtischen Rücksendeumschlag zu stecken. Eine Klage gegen die Bürgerbefragung schloss die Fraktion nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtes im Fall Schenk aus, da die Wählergemeinschaft in ihrer politischen Arbeit für mehr Bürgerbeteiligung plädiert. Lutz Boede, Geschäftsführer der Fraktion Die Andere, wollte die Klage des Fraktionsmitglieds gestern nicht kommentieren. Grünberg sei als „privater“ Stadtverordneter vor Gericht gezogen. Dies gehe ihn als Geschäftsführer zunächst wenig an. Er erfülle die Aufgaben, die ihm die Fraktion antrage, so Boede. Derzeit sei er damit beschäftigt, die ergänzende Umfrage der Fraktion im Detail auszuwerten.
In der Beschlussbegründung des Verwaltungsgericht heißt es unter anderem: „Es ist nicht ersichtlich, dass es dem Antragsteller und den übrigen Abgeordneten nach der Bekanntgabe des Ergebnisses tatsächlich nicht mehr möglich sein soll, nach den Grundsätzen des freien Mandats – auch gegen das Bürgervotum – zu entscheiden.“ Zumal die Standortfrage in der Öffentlichkeit schon umfassend diskutiert worden sei.
Nun wird es mindestens zwei Befragungsergebnisse geben, eine dritte repräsentative Umfrage hat der Verein Argus bereits angekündigt. Sollten die Ergebnisse der städtischen Umfrage den Standort des früheren Stadtschlosses als Ort für den Landtagsneubau ergeben, werde sofort „eine repräsentative telefonische Umfrage“ in Auftrag gegeben, teilte Saskia Hüneke mit. Gefragt werden soll nach der Gestalt des künftigen Landtagsneubaus: Optionen sind a) Stadtschlossfassade, b) Um- und Aufriss der historischen Fassade mit Originalfragmenten und ansonsten modern, c) ganz modern. Nach Ansicht von Hüneke, die sich für den Aufbau des Stadtschlosses stark macht, soll das Ergebnis in der Stadtverordnetenversammlung und im Wettbewerb des Landes Berücksichtigung finden. Ob die dritte Befragung zum Landtagsneubau gestartet wird oder nicht, wird sich heute Abend entscheiden. Dann will Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) die Öffentlichkeit über den Ausgang der Bürgerbefragung informieren. An der Befragung haben sich mehr als 55 000 Potsdamer beteiligt, knapp 123 000 Wahlberechtigte wurden angeschrieben. Sie waren nach ihrem bevorzugten Standort für den geplanten Landtagsneubau befragt worden. Alternativen waren Stadtschlossgrundstück am Alten Markt, die benachbarten Fläche des früheren Palais Barberini an der Havel, die Speicherstadt sowie eigene Standort- Vorschläge.
Allerdings kämen die Stadtmitarbeiter mit der Auszählung langsamer voran als anfänglich angenommen, so Auszählungsleiter Matthias Förster vom Bereich Wahlen und Statistik. Unter anderem weil sich die Zahl der eingesandten Fragebögen seit gestern weiter erhöht habe. Darum habe die Stadt eine zusätzliche Spätschicht eingesetzt. Nachdem am Dienstag rund 50 Verwaltungsangestellte geholfen haben, die Briefumschläge zu öffnen und vorzusortieren, hat gestern nun die direkte Auswertung der Fragebögen zum Landtagsneubau begonnen. 25 Stadtmitarbeiter, darunter sieben Fachleute aus Försters Abteilung, geben seit gestern Morgen eine Ziffer nach der anderen in die Computer ein – dazu Alter, Geschlecht, Postleitzahl und die angekreuzte Antwort, so Förster. Fragebögen, auf denen Potsdamer unter Punkt 4 einen „Vorschlag für einen anderen Standort“ gemacht haben, erfassen die Statistiker gesondert. Nach einer ersten Durchsicht hätten sich folgende Kategorien herauskristallisiert: „am Brauhausberg“, „kein Neubau“, „ehemalige Kasernen“ und „außerhalb Potsdams“. Zudem würden unter „Kurioses“ Vorschläge wie das ehemalige „Restaurant Minsk“ oder „das U-Boot im Templiner See“ erfasst. just/SCH/jab
Bei der Befragung der Potsdamer durch die Fraktion Die Andere hat eine Mehrheit der Teilnehmer den Wiederaufbau des Stadtschlosses in Originalform abgelehnt. 622 von 1330 Potsdamern (46,8 Prozent), die den Fragebogen ausgefüllt zurück gesandt haben, sprachen sich gegen eine komplett historische Variante aus, selbst wenn der Landtag in den Grundrissen des Stadtschloss Am Alten Markt wiederentstehen sollte. 39,3 Prozent (523) der Teilnehmer haben sich für die Originalform des von Knobelsdorff gestalteten Schlosses entschieden. 185 Antworten seien nicht verwertbar gewesen. Eine Mehrheit der Befragungsteilnehmer sieht auch die frühere Schlossfläche nicht zwingend als Baufläche an. 790 (59,4 Prozent) Potsdamer kreuzten an, dass die Bebauung unabhängig vom einstigen Schlossgrundriss erfolgen könne. Nur 34,8 Prozent befürworten den Landtagsneubau genau auf dem Grundriss. Damit hat die Umfrage der Wählergemeinschaft, die sich immer gegen den Bau eines Landtages am Alten Markt aussprach, die Baupläne der Landesregierung bestätigt. Finanzminister Rainer Speer (SPD) will die Kopfbauten am Alten Markt originalgetreu aufbauen lassen, die Gestaltung des südlichen Landtagsteils und der Flügelbauten jedoch den Architekten überlassen. Dieser Wille, der im Bebauungsplan der Stadt berücksichtigt wurde, fand in der Stadtverordnetenversammlung zweimal keine Mehrheit. jab
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