Homepage: Brillante Bilder auf biegsamem Grund
Leibniz-Kolleg 2008 beschäftigt sich mit bewegten Bildern aus Polymeren / Forschungspionier zu Gast
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Mit Polymeren verbindet man zunächst Kunststoff. Als Isolatoren nutzt man sie etwa in Kabelverbindungen. Doch mit Polymeren lässt sich wesentlich mehr anfangen. Eine Reihe spannender Erfindungen, die in den nächsten Jahren auf uns zukommen, beruhen auf Polymeren, vor allem auf einer Eigenschaft der Kunststoffe, die 1990 durch Zufall entdeckt wurde. Der Engländer Sir Richard Friend fand heraus, dass Polymere leuchten können. In der kommenden Woche wird er als Hauptredner des 12. Leibniz-Kollegs diese und weitere Erkenntnisse den Zuhörern näher bringen. Von biegsamen Bildschirmen mit brillanten Bildern wird man dort hören, von winzigen Mikrochips und von völlig neuartigen Solarzellen.
Das alles beruht auf einer Zufallserkenntnis: Aus Strom lässt sich mit Hilfe von Polymeren Licht erzeugen. Wie das geht, erklärt Professor Dieter Neher von der Universität Potsdam. Zunächst wird auf beiden Seiten des Polymeres Strom angeschlossen. „Elektroden und Löcher werden dann in die Polymerfläche transportiert“, so Neher. Wo sie sich treffen, senden sie Licht aus.
Der Vorteil dieser neuen Lichtquellen: Sie sind flexibel, biegsam und in jeder beliebigen Größe herstellbar, wie Plastik eben. Zudem ist die Verarbeitung schon bei relativ geringen Temperaturen und damit sehr leicht möglich. Dadurch werden sie zu einer praktischen Alternative für Glühbirnen und Leuchtdioden. Einziger Haken war bis vor kurzem die Effizienz. Die messen die Forscher, indem sie den Lichteindruck im Auge mit der eingesetzten Energie vergleichen. 2006 gelang in Potsdam für grün leuchtende Polymere bereits ein Durchbruch. Aktuell wird an weißem Licht geforscht. Das bekommt man, in dem man blaues, grünes und rotes Licht gleichzeitig erzeugt. Für das Auge sieht das Ergebnis weiß aus. Neher: „Wir sind schon bei der Helligkeit einer Glühbirne.“ Die Entwicklung schreitet aber rasant fort. „Polymere sind ein schwieriges und komplexes Material. Unsere Aufgabe besteht darin, heraus zu finden, wie die Prozesse funktionieren“, gibt Neher einen Einblick in die aktuelle Arbeit an der Universität Potsdam.
Doch mit solchen sogenannten halbleitenden Polymeren lässt sich noch wesentlich mehr anfangen. Herkömmliche Flachbildschirme beispielsweise sind ein Paradebeispiel für mangelnde Effizienz. Dort wird zunächst Licht erzeugt, das dann durch Farbfilter und LCD-Flächen geschickt wird, ehe es das Auge erreicht. „Das Ergebnis ist nie besonders hell“, so Neher. Mit halbleitenden Polymeren könnte man das viel sinnvoller lösen. Je nachdem, welche zusätzlichen Moleküle man in die Atomketten des Kunststoffs einbaut, bekommt man sofort an der Lichtquelle die gewünschte Farbe.
Eine erste Vision der mit solcher Technik möglichen Bildschirme hat Neher kürzlich bei einem Besuch in San Francisco von den Ingenieuren des Elektronik-Konzerns Sony gezeigt bekommen. „Das Ergebnis ist brillant. Das Bild ist um Größenordnungen besser als bei herkömmlichen Bildschirmen. Selbst von der Seite bleibt das Bild immer gleich“, schwärmt Neher.
Solche Neuerungen können bereits im kommenden Jahr auf den Markt kommen. Andere brauchen etwas länger.
Wieder ist der Brite Friend Vorreiter, der für seine bahnbrechenden Erkenntnisse von der Queen zum Sir ernannt wurde. „Dass jemand in der Grundlagenforschung solche Durchbrüche erzielt und gleichzeitig die Anwendungsforschung durch eigene Firmen so vorantreibt, ist in der Wissenschaft sehr selten“, erklärt Neher. Friend sei ein Pionier, auf dessen Vortrag in Potsdam man sich freuen könne.
Friend hat mittlerweile zwei Firmen gegründet. Sie befassen sich unter anderem mit Feldeffekttransitoren (FET). Die werden etwa in Mikroprozessoren eingesetzt oder zur Steuerung von LCD-Bildschirmen. Diese FET werden momentan noch aus Silizium hergestellt. Das ist ein teures Material, das zudem einige negative Eigenschaften hat. Polymer-Transistoren lassen sich hingegen einfach durch Drucken erzeugen. In Dresden wird gerade eine Produktion dafür aufgebaut.
Ein weiteres Feld sind Solarzellen, die ebenfalls bisher auf Silizium angewiesen sind. Neher: „Hier drehen wir den Effekt einfach um und erzeugen aus Licht Strom.“ In Deutschland wurden gerade zwei große Forschungsprojekte dazu aufgelegt. Potsdamer Forscher sind führend dabei. 2005 haben sie die erste polymere Solarzelle präsentiert, die passable Ergebnisse liefert. Auf dieser Basis wird nun die Forschung vorangetrieben. In fünf Jahren soll sie marktreif sein.
Fünf Jahre, das kann in einer Disziplin, die es erst seit 1990 gibt, eine Ewigkeit bedeuten. Neher zeigt auf eine in Glas eingefasste Polymer-Scheibe auf seinem Schreibtisch. Mit einer einfachen Batterie bringt er sie zum Leuchten. Doch einige Stellen bleiben dunkel. „Ein uraltes Teil“, fügt Neher entschuldigend an. Uralt, das sind in diesem Fall fünf Jahre. In weiteren fünf Jahren könnte diese Zeitung ähnlich uralt erscheinen. Statt auf Papier werden die PNN dann möglicherweise auf Polymerfolie gedruckt. Umblättern entfällt dann. Per Knopfdruck wird einfach der Inhalt der Seite geändert.
Bodo Baumert
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