Von Guido Berg: Bringt dem Fischer Kuchen
Mario Weber, Potsdams einziger Fischer, liebt die Winter-Romantik auf dem Fluss: „Wir frieren später als andere.“
Stand:
„Schon wieder Sekt!“ Mario Weber hebt die Hand vor den Mund und flüstert: „Davon habe ich einen ganzen Schrank voll.“ Von denen, die dieser Tage bei Potsdams einzigem Fischer in der Großen Fischerstraße seinen Silvesterkarpfen kaufen, wollen viele dem 49-Jährigen etwas Gutes tun. Da überreichen sie halt ein Fläschchen. Das Fischer gern einen zur Brust nehmen ist ein altes Klischee, das Mario Weber schon mal bedient, wenn er gefragt wird, was er eigentlich so im Winter macht. „Saufen“, sagt er dann, um seine Ruhe zu haben. Dabei stimmt das schon aus zweierlei Gründen nicht. Zum einen trinkt er aus Neigung nur selten mal ein Glas, zum anderen ist die Fischerei auch im Winter ein knallharter Job, der den ganzen Mann verlangt. Die Stahlboote sind vereist; dieser Tage irgendwo weit draußen auszurutschen und ins Wasser zu fallen wäre eine lebensgefährliche Sache. Jeden Morgen muss er seine in drei Meter Tiefe hängenden Stellnetze kontrollieren, mit denen Mario Weber Zander und Hechte fängt. Lässt er einen Tag aus, ist das Oberflächenwasser darüber vielleicht schon so dick gefroren, dass er es nicht zertrümmern kann. „Wir Fischer frieren später als die anderen“, sagt er lächelnd.
„Fischer, das sind noch echte Männer.“ Das hat mal eine Reporterin vom „Stern“ zu ihm gesagt und Mario Weber „ist es runter gegangen wie Öl“. Im Sommer nimmt Weber auch mal Leute mit auf seine Reusentour – „wenn es sich nicht vermeiden lässt“. Aber im Winter ist er ganz allein da draußen auf dem Wasser. „Man hat seine Ruhe.“ Manchmal ist noch sein Hund Benn mit dabei, der dann vorn am Bug seines Kahns sitzt.
Die kälteklirrende Romantik ist allerdings nicht jedermanns Sache. Das musste der Fischer bei seinen bisherigen Lehrlingen erkennen. „Den ersten Winter schaffen sie alle.“ Vor dem zweiten Winter waren sie bisher allerdings alle auch wieder verschwunden. „Im zweiten Winter“, sagt Weber, „erweist sich, ob sie Fischer werden oder bloß einmal dabei sein wollen.“ Ab Januar hat Mario Weber nun wieder einmal einen Lehrling, dem Wollsocken, Mütze, Handschuhe und ein heißes Fischerherz zu wünschen sind.
Webers Karpfen, die aus einer Teichwirtschaft stammen und nun in einem Netz im Havelwasser schwimmen, kommen – wenn sie nicht auf der Silvestertafel landen – relativ gut über den Winter, denn sie frieren nicht. Fische frieren nicht, denn sie sind wechselwarm und passen ihre Körpertemperatur und ihren Stoffwechsel den Wassertemperaturen an. Allerdings wachsen sie dann auch langsamer. Ihr Alter kann anhand der Schuppen bestimmt werden; die wie bei Bäumen Jahresringe ausbilden. Die Ringe vom Winter sind kleiner als die vom Sommer. Hin und wieder fängt Weber Karpfen in der Havel, die über 20 Jahre alt sind und über 20 Kilogramm wiegen. Solche Exemplare verkauft er dann an Feinschmecker, denn mit den Karpfen ist es wie mit dem Wein: Je älter, umso schmackhafter. Aber manchmal kommt Webers Sinn für Romantik durch und er lässt so ein Tier auch wieder schwimmen. Es gibt auch Kunden, die das so machen: Die kaufen einen Karpfen aus Webers Netz, um ihn anderswo frei zu lassen. Das soll Glück bringen. Für Nichtabergläubige empfiehlt der Fischer „Karpfen auf dem Gemüsebett“, schön gedünstet, mit nur wenigen Gewürzen. Schließlich soll der Karpfen noch nach Karpfen schmecken. Obwohl er täglich mit ihnen zu tun hat isst Weber selbst sehr gern Fisch. Aber auch Kuchen. Kunden, die Mario Weber eine Freude machen wollen, sollen Kuchen mitbringen, sagt seine Verkäuferin: „Kuchen geht immer.“
www.fischerhofpotsdam.de
- showPaywall:
 - false
 - isSubscriber:
 - false
 - isPaid: