Landeshauptstadt: Brisante Post
Der Planfeststellungsbeschluss zum Havelausbau am Sacrow-Paretzer Kanal fordert die Betroffenen heraus
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Seit gestern ist das weit mehr als 200 Seiten dicke Papier auf dem Postweg. Der Inhalt ist brisant: der Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Sacrow-Paretzer Kanals – de facto die Baugenehmigung für das umstrittene 65-Millionen-Projekt, um das schon seit Jahren gerungen wird. Am Freitag soll die Bekanntmachung für die Auslegung der Unterlagen in den Zeitungen veröffentlicht werden, ab kommendem Montag wird der Planfeststellungsbeschluss öffentlich ausliegen. Bis zum 8. September ist dann Zeit für die Betroffenen, sich für eine Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden. Nachdem Anfang des Monats bekannt geworden war, dass die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost die Baugenehmigung für dieses Teilstück des Verkehrsprojekts 17 Deutsche Einheit erteilen würde, wurde massenhaft Kritik geübt und die Befürchtung geäußert, dass der Ausbau des Sacrow-Paretzer Kanals die Landschaft im Norden der Landeshauptstadt und Teile des Potsdamer Welterbegebietes irreparabel beschädigen würde.
Diese Befürchtungen werden durch den Planfeststellungsbeschluss offenbar bestätigt. Das zumindest meint Winfried Lücking, Experte vom Bund für Natur und Umwelt Berlin-Brandenburg (BUND). Zwar stehe die genaue Prüfung der Unterlagen noch aus, aber erste Details der Ausbaumaßnahmen, die gestern bekannt wurden, ließen zunächst keinen anderen Schluss zu. So müssten für die Abbaggerungen am Nordufer des Sacrow-Paretzer Kanals 800 Bäume gefällt werden, die zum Teil schon sehr alt seien. Geschützte Tiere, wie der dort brütende Rote Milan seien gefährdet, ebenso wie angrenzende Naturschutzgebiete. In Gefahr sei auch der Bereich der oberen Wublitz. Sogar die Wasserversorgung der Stadt Potsdam durch das Wasserwerk Nedlitz könnte gefährdet sein. „Diese Bedenken hat die Wasser- und Schifffahrtsdirektion bei der Anhörung nicht ausräumen können“, so Lücking. Und nicht zuletzt könnten die Welterbegebiete durch Wasserabsenkungen betroffen sein, betont Lücking.
Ob der BUND klagen wird, steht jedoch nicht fest. Nicht einmal auf eine Tendenz will sich Lücking einlassen. Erst müsse das Papier genauestens geprüft werden. Möglicherweise habe es doch Nachbesserungen gegeben. „Wenn wir eine Möglichkeit zur Klage und gute Erfolgsaussichten feststellen, werden wir klagen“, sagt Lücking. „Ansonsten lassen wir es.“ Die Stadt Potsdam hatte bereits vor Wochen verkündet, möglicherweise nicht klagen zu wollen – wegen zu geringer Erfolgsaussichten. Allerdings wird auch dort gründlich geprüft. Bei der Schlösserstiftung sind nach Auskunft von Sprecher Ulrich Henze zwei Prüfungen geplant. Zum einen werde das Papier von Fachleuten begutachtet hinsichtlich einer Gefährdung von Welterbestätten. Zugleich werde geprüft, ob die Stiftung überhaupt klageberechtigt ist, weil die Ausbaumaßnahmen nicht unmittelbar in der Nähe des Welterbegebietes stattfinden. Größte Sorge der Stiftung ist, dass die Holzpfähle auf denen beispielsweise die Sacrower Heilandskirche erbaut wurde, bei Niedrigwasser faulen könnten, und dass Uferbereiche durch Wellenschlag in Gefahr geraten könnten.
Christiane Mende, Leiterin der Planfeststellungbehörde der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost sieht diese Gefahren nicht. Dass es bei Niedrigwasser zu einer Absenkung des Wasserspiegels durch den ausgebauten Kanal kommt werde dadurch verhindert, dass der Gesamtquerschnitt im unteren Bereich des Kanalbettes am Nedlitzer Durchstich verengt werde. So fließe bei einem Niedrigstand auch weniger Wasser ab. „Es wird kein Niedrigwasser geben“, so Mende. Geplant sind auch Pfahlwände in den Seen, die einen zu großen Wellenschlag verhindern sollen. Was Baumfällungen und andere Natureingriffe betrifft, verweist die Planfeststellungsbehörde auf Ausgleichsmaßnahmen, wie Gehölz- und Baumpflanzungen im Bereich des Kanals, in Marquardt, Schmergow, Krielow, Kartzow, Seeburg und Groß Glienicke.
Michael Erbach
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