Aus dem GERICHTSSAAL: Brutaler Angriff am See?
Verfahren gegen vermeintliche Schläger eingestellt
Stand:
Gehirnblutung, Schädelhirntrauma, ein ausgeschlagener Zahn und Prellungen beinahe am gesamten Körper – so hatte sich Juri J.* (49) das Ende seines Angelausflugs nicht vorgestellt. Der gebürtige Russe fuhr am 4. September 2010 mit seinem Landsmann Sascha S.* (36) und Michail M.* (41) aus Kasachstan zum Fischen an den Zernsee. Das Trio trank zusammen drei Flaschen Hochprozentigen, übernachtete anschließend im Zelt. Zu später Stunde soll Juri J. von seinen beiden Bekannten von der Lagerstatt geschleift, völlig ohne Grund mit Fäusten malträtiert und mehrfach getreten worden sein. Dabei sollen sie ihm gedroht haben, ihn „einzugraben“.
Sascha S. und Michail M. – angeklagt wegen gefährlicher Körperverletzung und bislang nicht vorbestraft – schwiegen während der Verhandlung vor dem Amtsgericht. Der Arzt, der Juri J. seine Verletzungen attestierte, wollte nicht ausschließen, dass sie eventuell auch von Stürzen des stark Betrunkenen herrühren könnten. Da das vermeintliche Opfer sich während der Zeugenbefragung in Widersprüche verstrickte, stellte Richterin Kerstin Nitsche das Verfahren gegen die Angeklagten mit Zustimmung aller Beteiligten vorläufig ein. Sobald Michail M. eine Geldbuße von 200 Euro, der finanziell schlechter gestellte Sascha S. 100 Euro an die Staatskasse überwiesen haben, wird die Akte endgültig zugeklappt.
Bei seiner polizeilichen Vernehmung sagte Juri J. aus, an diesem Abend seien alle „ein bisschen besoffen gewesen“. Er habe sogar einen Filmriss gehabt. Davon wollte er während des Prozesses nichts mehr wissen, sprach von Bewusstlosigkeit durch die Misshandlung. Irgendwann sei es ihm geglückt, mit seinem Schlafsack und lediglich einem Slip bekleidet zu fliehen. Unterwegs habe er seine Frau angerufen und sie gebeten, ihn abzuholen. Auf die Frage der Staatsanwältin, woher er plötzlich ein Handy zauberte, erinnerte sich der Russe, nun doch eine leichte Jacke angehabt zu haben. In deren Tasche habe sich das Mobiltelefon befunden. In Golm habe er dann zufällig einen Bekannten getroffen, der unterwegs zu Sascha und Michail gewesen sei. Er sei in dessen Auto gestiegen, um ihm den Weg zu weisen, gleichzeitig seine Habseligkeiten von der Angelstelle zu holen. „Hatten Sie denn keine Angst, da noch mal hinzufahren?“, wunderte sich die Vertreterin der Anklage. „Schlimmer hätte es nicht mehr werden können“, parierte Juri J., der im Prozess als Nebenkläger auftrat.
Laut ärztlichem Attest habe zu keiner Zeit Lebensgefahr bestanden. Allerdings befand sich Juri J. knapp zwei Wochen in stationärer Behandlung, lag anfangs auf der Intensivstation. Noch heute befinde er sich in neurologischer Behandlung, leide unter Kopfschmerzen und Schlafstörungen, erzählte der Russe. Da eine Verfahrenseinstellung keinen Freispruch bedeute, sei nun der Weg frei, zivilrechtlich Schmerzensgeld einzuklagen, erklärte sein Rechtsbeistand am Rande des Prozesses. (*Namen geändert.) Hoga
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