Landeshauptstadt: Buddelkasten statt Baustelle
Gelernter Bauarbeiter ist jetzt Tagesvater für Uni-Kinder / Neue Kita im T-Heim ab Herbst
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Eiche - Thomas Gerstel kommt vom Bau. „Thommys Krabbelkiste“ heißt sein neues Projekt. Dafür hat der 41-Jährige schweres Gerät gegen Plantschbecken, Buddelkasten und Plastikschippen eingetauscht – denn er ist jetzt Tagesvater.
Er sei eine ganze Weile arbeitslos gewesen und in der Zeit neben seiner Frau „hergelaufen“, hätte ihr geholfen. Sie ist bereits seit über vier Jahren eine so genannte „Tagespflegeperson“. Thomas Gerstel startete im Mai sein neues Leben als Tagesvater und hat, wie er sagt, seine Bestimmung gefunden: „Die Baustellen sind ganz weit weg.“
Er sei der zweite Mann unter den insgesamt 40 qualifizierten Tagespflegepersonen, die die Stadt Potsdam finanziert, sagt die zuständige Jugendamtsmitarbeiterin Gabriele Fruth. Gemeinsam mit der Beigeordneten für Jugend und Soziales, Elona Müller, besuchte sie gestern den Tagesvater und „seine“ fünf „Akademikerkinder“. Seine Stelle sei ein gelungenes Bespiel für das gute Zusammenspiel zwischen Jugendamt und Studentenwerk, sagt Gerstel. Die Plätze in der Betriebstagespflegestelle können ausschließlich von Kindern Studierender der drei Potsdamer Hochschulen belegt werden. Dafür stellte das Studentenwerk Räume im so genannten T-Heim in Eiche zur Verfügung.
Die von der Stadt bezahlten Pflegemütter und -väter müssen vor ihrem Einsatz schon Erfahrungen mit Kindern gesammelt haben – Thomas Gerstel hat drei eigene – und einen 24-Stunden-Schnellkurs sowie einen Kursus in Erster Hilfe für Säuglinge und Kleinkinder belegen. Berufsbegleitend komme noch ein 104-Stunden-Seminar dazu, in dem es vor allem um die Tagespflegeperson selbst ginge, erklärt Gabriele Fruth. Geschult würden Abgrenzung, Umgang, Konfliktfähigkeit.
Die Nachfrage nach Tagespflege wachse, sagt Fruth. Mütter und Väter schätzten vor allem die flexiblen Betreuungszeiten und die kleinen Gruppen. Sie hofft, dass durch die beiden männlichen Beispiele andere Männer angesprochen würden, auch zur Kinderbetreuung als Hauptberuf zu wechseln. Reich werde man aber nicht, sagt die Fachfrau. Pflegemütter und -väter bekämen eine Aufwandspauschale, die sich aus Materialkosten und erzieherischer Leistung zusammensetze. Davon müssten sich allerdings die Pflegepersonen selbst renten- und sozialversichern. Thomas Gerstel jedenfalls möchte nicht mehr tauschen. Die Arbeit mit den kleinen Wesen findet er „erfüllend“. Drei seiner Schützlinge wird er im Herbst an die bisher noch geplante benachbarte Kita abgeben. Die dann freiwerdenden Plätze sind aber schon wieder ausgebucht.
Das Studentenwerk Potsdam hat den Bedarf an Kinderbetreuung erkannt und wird ebenfalls im T-Heim in der Kaiser-Friedrich-Straße 135 auf 500 Quadratmetern eine Kita mit Platz für 50 Kinder schaffen. Der Umbau der zum Teil als Studentenclub genutzten Räume koste 650 000 Euro, die das Studentenwerk trage, sagt Karin Bänsch, Geschäfsführerin des Werks. Allerdings symbolisch unterstützt von den drei Hochschulen. Nach Fertigstellung im Oktober dieses Jahres werde die Kinderwelt gGmbH die Trägerschaft übernehmen, die auch den betriebseigenen Kindergarten auf dem Telegrafenberg betreibe. In die Einrichtung aufgenommen werden dürfen nur Kinder von Studenten, Dozenten und Mitarbeitern von Universität, Fachhochschule, HFF und Studentenwerk. „Sowie von Tagungsteilnehmern, die in Potsdam zu Gast sind“, erklärt Bänsch. Man werde die Öffnungszeiten an den Hochschulalltag anpassen, verspricht sie.
Nicola Klusemann
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