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Landeshauptstadt: Buddeln bei Verdacht

2007 soll die systematische Bombensuche starten

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410 Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg liegen derzeit in Potsdams Erdreich. Davon geht der brandenburgische Kampfmittelbeseitigungsdienst aus. Insgesamt stuft er fast zwei Drittel des Stadtgebiets als „kampfmittelbelastet“ ein. Zu den so genannten Verdachtsflächen gehören unter anderem die gesamte barocke Innenstadt, das Gebiet um den Bahnhof, die Ravensberge und auch das Stern-Center-Gelände. Entdeckt wurden die Blindgänger bisher rein zufällig, meist bei Bau- und Abrissarbeiten: 67 Bomben und 850 Granaten und Minen wurden auf diese Weise in Potsdam seit 1990 gefunden.

Das soll anders werden: Auf Zufälle wolle sie nicht mehr warten, sagte Elona Müller gestern bei einem Pressegespräch. Das vor vier Monaten angekündigte Konzept der Verwaltung zur systematischen Bombensuche steht (PNN berichteten). Möglichst noch 2007 will die Verwaltung das gesamte Areal des Klinikums „Ernst von Bergmann“ nach Blindgängern abgesucht haben. Bis 2010 sollen dann die Kindergärten und Schulen der Stadt folgen. „Es ist unsere Pflicht das anzugehen“, so Müller. Denn die Kampfmittel altern und rosten, und die Gefahr, die von ihnen ausgeht, werde mit jedem Jahr größer.

Rund 40 000 Euro jährlich will die Verwaltung für das Bombenprojekt einplanen – sofern die Stadtverordneten auf der nächsten Sitzung am 31. Januar dafür stimmen. Dann werde ein Verwaltungsmitarbeiter im Vorfeld jede Schule und Kita mit einer Karte abgleichen, auf der alle Verdachtsgebiete rosa markiert sind. Liegt die Einrichtung nicht in einem „absolut munitionsfreien“ Gebiet, überprüft sie der Kampfmittelbeseitigungsdienst genauer, erklärte die zuständige Bereichsleiterin Martina Kluge. Zum einem analysieren die Munitionsexperten Luftbilder, die die Alliierten für die Kriegsberichterstattung am Tag nach der Bombennacht am 14. April 1945 fotografiert haben. Zum anderen werden sie das betroffene Gelände mit Spezialsonden nach Metallobjekten durchforsten. Haben sie den dringenden Verdacht, dass sich dort tatsächlich eine Bombe befinden könnte, werde „gebuddelt“, so Kluge. Und zwar auch, wenn sich die vermeintliche Munition unter einem Gebäude befindet. In diesem Fall würden die Experten voraussichtlich ein Loch durch den Kellerboden bohren, um die Bombe vor Ort zu entschärfen und abzutransportieren.

Schritt für Schritt sollen so nicht nur Krankenhäuser und Kindergärten, sondern alle Verdachtsflächen bombenfrei werden. Das werde nach Kluges Einschätzung allerdings weit mehr als fünf Jahre dauern. Denn noch erscheinen die sicheren Gebiete nur als vereinzelte grüne Mini-Flecken auf der Verdachtsflächen-Karte. Bisher wurden nur zehn Prozent der betroffenen Gebiete überprüft – meist im Rahmen von Bauvorhaben, weil für deren Genehmigung ein „Unbedenklichkeitsschein“ des Kampfmittelbeseitigungsdienstes notwendig ist. Dass auf der Baustelle des Bergmann-Klinikums Baggerfahrer 2004 und 2005 trotzdem Blindgänger fanden, liege laut Verwaltung daran, dass der Unbedenklichkeitsschein aus DDR-Zeiten stammt. Damals mussten sich die Munitionsexperten oft auf Zeitzeugen verlassen. Ihnen standen weder die heutige Technik zur Verfügung noch die 505 Fotos der Alliierten. Diese habe der Kampfmittelbeseitigungsdienst erst in den letzten zehn Jahren gekauft. just

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