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Landeshauptstadt: Bunt leuchtet die Muschelgrotte

Fassade des geheimnisumwitterten Bauwerks im Neuen Garten ist wiederhergestellt

Stand:

Nauener Vorstadt - Die Fassade der geheimnisumwitterten Muschelgrotte im Neuen Garten ist wiederhergestellt. Die letzten der Tausenden von Natursteinen in verschiedenen Farben, die der Grotte ihren Reiz geben, sind eingesetzt. Heller, teils gestreifter Gipsstein, braun-rotes Tuffgestein, Ziegelschlacke aus Glindow, vor allem aber dunkler Raseneisenstein strukturieren durch Bänder und Bögen die Fassade.

Diese Struktur war vor Beginn der Arbeiten mit Unterstützung der von Christian Klenner geleiteten Restaurierungsabteilung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten fotografiert und genau erfasst worden, um sie originalgerecht wiederherstellen zu können. „Bewusst haben wir auch immer wieder die selben Handwerker eingesetzt, um eine einheitliche Handschrift zu sichern“, erklärt Baudenkmalpfleger Roland Schulze. 70 Prozent der Fassadensteine blieben erhalten und wurden wiederverwendet. Der Rest musste neu beschafft werden. Dies gestaltete sich besonders beim Raseneisenstein schwierig, denn während des Krieges waren alle Fundstellen erkundet und ausgebeutet worden, um zusätzlich Metall für die Rüstungsproduktion zu gewinnen. Mit Hilfe einer damals angefertigten Karte fand Roland Schulze dann doch zwei Lagerstätten, von denen die für die Grotte benötigten Steine geborgen werden konnten.

Als die Denkmalpflegefirma vor drei Jahren mit der von einem Förderverein initiierten Rettung der Grotte begann, hatte sich die durchschnittlich 50 Zentimeter dicke Natursteinschale durch das jahrzehntelange Einwirken von Feuchte und Frost bereits weitgehend vom darunter liegenden Ziegelmauerwerk gelöst. Zahlreiche Ziegel waren zerfroren. Deshalb musste zunächst das zwischen 49 Zentimeter und einem Meter starke Mauerwerk saniert werden, ehe die Fassadensteine, teils mit Edelstahlankern befestigt, aufgebracht werden konnten. „Eine handwerklich anspruchsvolle Aufgabe“, kommentiert Roland Schulze. „Um so mehr freuen wir uns, dass die Parkbesucher die Muschelgrotte von außen wieder in ganzer Schönheit bewundern können.“

Damit ist allerdings erst ein Teil des Weges zurückgelegt. Zurzeit sind Restauratoren dabei, die Innendekoration der Grotte zu dokumentieren und zu sichern. Im nächsten Jahr soll die schadhafte Decke geschlossen werden, Voraussetzung für weitere restauratorische Arbeiten. Erneutes Eindringen von Feuchtigkeit ist ausgeschlossen, da das Dach bereits vor Jahren repariert wurde. Es ist begrünt worden und fügt das Bauwerk damit harmonisch in die Parklandschaft ein. Erneuert werden müssen noch die zurzeit zugemauerten Fenster.

Die 1791 - 1794 geschaffene „Chrystall- und Muschelgrotte“, für die Oberhofbaurat Friedrich Ludwig Carl Krüger die ersten Entwürfe lieferte, besteht aus zwei 30 Quadratmeter großen Kabinetten und einem 50 Quadratmeter Fläche einnehmenden Mittelsaal mit einem Deckengemälde von Bartolomeo Verona, der noch dem Rokoko verhaftete Darstellung eines über dem Schilf in den Himmel auffliegenden Reihers. Die Wände wurden, wie Akten in der Plankammer verraten, unter anderem mit „Chirstalldrusen, Bleiglanzdrusen, linsenförmigen Quarzdrusen, Kupferschlacken, Schwefelkieß, Gipsspath, so aus gräulichem Marienglase besteht und Tuffsteinen“, mit Muscheln und bunten Glasstücken ausgekleidet. Als Vorbild wählte Bauherr König Friedrich Wilhelm II. die Grotte im Park des Schlosses Oranienburg, wo er glückliche Kindertage verlebt hatte. Von dort wurde auch eine große Muschel geholt und als „Pilgersitz“ eingebaut.

Dienten anderenorts solche Grotten als Stätte höfischer Geselligkeit, war das Bauwerk am Jungfernsee abgeschieden von der Außenwelt ein Ort der Ruhe und Geborgenheit. Es ordnete sich damit in das Programm des damals der Öffentlichkeit verschlossenen Neuen Gartens ein, in dem König Friedrich Wilhelm II. die Zwiesprache mit dem Totenreich suchte. Ob die Geister verstorbener Verwandte und Freunde auch in der Grotte beschworen wurden, konnte nicht nachgewiesen werden – es gilt jedoch als wahrscheinlich. Dafür spricht unter anderem der zweigeschossige, winddurchwehte Außengang, der das Bauwerk in erster Linie vor Regenwasser und Durchfeuchtung schützen sollte, aber auch „Spukeffekte“ zulässt, so durch einen dort aufgestellten Sprecher beziehungsweise Musiker oder auch eine Äolsharfe. Auf jeden Fall diente der Saal zum „brüderlichen Tafeln“, wie es für die Freimaurer typisch war. Dafür wurde 1796 in der Nähe eine als borkenverkleidetes „Eulenhaus“ gestaltete Küche errichtet, die nicht erhalten ist.

Der Förderverein Muschelgrotte möchte das Baudenkmal für Besichtigungen freigeben und für Vorträge, Lesungen, Konzerte oder auch Empfänge und Trauungen nutzen.

Erhart Hohenstein

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