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Landeshauptstadt: Bunte Flure, antiquierter Charme und Familienalltag Im Babelsberger Reinhold-Kleinau-Haus leben Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung

Von Ulrike Strube Torsten L. freut sich über Besuch.

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Von Ulrike Strube Torsten L. freut sich über Besuch. Er ist neugierig. Mit seinem Rollstuhl kommt er angefahren. Begrüßt die Heimleiterin Heike Judacz. „Ich bin heute zu Hause geblieben, weil ich erkältet bin“, erzählt er ihr mit heiserer Stimme. Der 38-Jährige ist einer von 47 Bewohnern des Reinhold-Kleinau-Hauses auf dem Gelände des Oberlinhauses in Babelsberg. Vor gut 22 Jahren wurde die Wohnstätte für körper- und mehrfachbehinderte Erwachsene erbaut. Auf der dritten Etage, deren Wände in gelb und rot gestrichen sind, bewohnt Torsten L. ein Zimmer mit Balkon und teilt sich mit einem Mitbewohner ein geräumiges, hellblau gefliestes Bad. „Hier habe ich viel Platz“, schwärmt er. Vor gut zehn Jahren zog er hier ein, tauschte sein enges, schlauchartiges Zimmer in ein quadratisches. „Das Reinhold-Kleinau-Haus wurde zu DDR-Zeiten nach westlichen Standards errichtet“, erläutert Heike Judacz. Alle Räume und Etagen sind leicht mit Rollstühlen zu erreichen. Auch können Lichtschalter und Türöffner problemlos bedient werden. Doch der einstige moderne Bau besitzt mittlerweile einen eher antiquierten Charme. Es bedarf einer Sanierung. „Jeder sollte sein eigenes Zimmer haben“, sagt Heike Judacz. Kleinere Verschönerungen nehmen die Wohngruppen alleine vor. So wurden die Korridore gestrichen und das Wohnzimmer auf der dritten Ebene erhielt neue Gardinen. Auf Initiative von Torsten L. wurden von allen Bewohnern seiner Etage Fotos gemacht, auf rot-gelb-orangenes Papier geklebt und an die jeweiligen Zimmertüren geheftet. „So weiß jeder, wer hinter den Türen wohnt“, erklärt er stolz. Zur selben Zeit werden ein Stock tiefer die letzten Rührschüsseln und Mehltüten zurück in die Küchenschränke gestellt. Heute war Backtag. Es riecht nach Käsekuchen. Jan W. hat geholfen. Nun ruht er sich aus. Er ist einer von 18 Hausbewohnern, die regelmäßig an der so genannten Tagesstruktur teilnehmen. Eigens für das Angebot ist eine Mitarbeiterin verantwortlich. Hausbewohner, die keiner Tätigkeit in den Diakonischen Werkstätten in Hermannswerder oder Teltow nachgehen, können regelmäßig mit Anleitung backen, kochen und musizieren. Dafür ist im Parterre, wo einst die Physiotherapie untergebracht war, ein Raum eingerichtet worden. Zudem haben hier zwei Meerschweinchen namens Bunti und Brauni ein Zuhause gefunden. Die Bewohner kümmern sich um die scheuen Tierchen. „Der Kontakt mit den Lebewesen ist für die Frauen und Männern wohltuend“, resümiert Heike Judacz. Im Rahmen der Tagesstruktur werden auch Ausflüge, Spaziergänge und Kinotage angeboten. Jan W. hat sich etwas erholt. Nun ist es für ihn Zeit für die Physiotherapie. Er ist durch die Folgen eines Verkehrsunfalls gezeichnet. Seine Bewegungen sind unsicher. Gestützt von einer Betreuerin geht er langsam in den Nachbarraum, wo die Physiotherapeutin Anett Sachs ihn erwartet. Der 28-Jährige, in Sweatshirt, Jogginghose und Turnschuhen gekleidet, begrüßt sie mit einem lauten „Hallo“. Er soll Fahrrad fahren. Doch fällt es ihm schwer, auf dem Trimmgerät Platz zu nehmen. Jan W. muss sich vom Arm seiner Begleitung lösen und am Sportgerät festhalten. Er zögert. Er hat Angst, dass er umfällt. Als er es geschafft hat und seine Füße an den Pedalen fixiert sind, wird er selbstbewusster. Das Schicksal von Jan. W. ist kein Einzelfall. Allein in den vergangenen zwölf Monaten zogen vier neue Bewohner mit Behinderungen in Folge von Unfällen in die Wohnstätte. „Der Alltag im Hause ist sehr familiär geprägt“, sagt Heike Judacz. Aus wenig versuche man viel zu machen. „Denn Menschen mit Behinderung sollen Freude am Leben haben“, so die Leiterin. Dazu gehören allerdings auch gute Therapieangebote, um die Bewohner mit Multipler Sklerose oder der auch Veitstanz genannten Nervenkrankheit Corea Huntington erfolgreich zu begleiten. Viele Hilfsmittel sind alt, können nicht individuell an die Größe oder das Gewicht der Patienten angepasst werden, sagt Anett Sachs. Finanzielle „Puffer“ gebe es nicht. Der Unterhalt für die Frauen und Männer werde vom Sozialamt und Hilfsmittel von den Krankenkassen getragen. Den Bewohnern bleibe nur ein kleines Taschengeld. „Mehr als das Nötigste kann kaum geleistet werden“, so Heike Judacz. Gern würde man auch Reisen für die Bewohner anbieten, aber die sind sehr teuer. Das weiß auch Torsten L. Im Flur in der dritten Etage zeigt er auf Fotografien, die bei Ausflügen in den Spreewald und am Ferbellinsee entstanden sind. Gern würde er mal wieder verreisen. „Vielleicht klappt es im nächsten Jahr.“ Spendenkonto: Evangelische Kreditgenossenschaft e.G., Bankleitzahl 820 608 00, Kontonummer 010 800 6059, Projektnummer: 18

Ulrike Strube

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