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Aus dem GERICHTSSAAL: Bunte Haare und Tränen

900 Euro Strafe für Diebstahl von Pfefferminzlikör

Stand:

Man könnte meinen, Andy A.* (27) mit seinen bunten Haaren und dem markanten Kinnbart sei ein lustiger Vogel. Doch das Äußere täuscht. Der junge Mann ist arbeitslos, hat jede Menge Mietschulden und inzwischen keine Wohnung mehr. Sein Vorstrafenregister reicht von Sachbeschädigung über Bedrohung, Beleidigung, Vollrausch bis hin zu gefährlicher Körperverletzung. Zwei Bewährungsstrafen schweben über dem Haupt von Andy A. Trotzdem wurde er wieder straffällig, stahl am 18. August im Kaufland zwei Flaschen Pfefferminzlikör für 9,18 Euro. Weil er das erste Mal lange Finger machte, drückt Amtsrichterin Kerstin Devriel beide Augen fest zu, verhängt „nur“ eine Geldstrafe von 900 Euro.

„Meine Mutter war schwer krank. Am 11. Juli ist sie gestorben. Ich habe sie bis zu ihrem Tod – so gut ich konnte – gepflegt. Zuletzt habe ich auch in ihrer Wohnung gelebt“, erzählt Andy A., kämpft dabei mit den Tränen. Dann habe es Probleme mit der Kostenübernahme für die Beerdigung gegeben. Bis klar war, dass der Staat für die Bestattung der Frau aufkommt, ging viel Zeit ins Land. „Mir ging es ziemlich schlecht in dieser Zeit. Ich habe eine Menge getrunken“, berichtet der Alkoholabhängige. Nun kullern die Tränen doch. „Eigentlich wollte ich endlich mit dem Thema abschließen.“ Seelenschmerz rechtfertige noch lange keinen Diebstahl, rügt die Vorsitzende. Andy A. sieht das im Nachhinein ein. „Klauen ist wirklich nicht so mein Ding“, meint er, berichtet dann von seinen Bemühungen, im Leben wieder Fuß zu fassen. „Ich wollte die Wohnung meiner Mutter im Zentrum-Ost halten. Das klappte aber nicht. Die Gewoba hat mich auf die schwarze Liste gesetzt“, glaubt der Potsdamer. „Selbst wenn ich alle meine Mietschulden beglichen hätte, würde ich von denen nichts kriegen.“ Momentan schlafe er bei Kumpels, werde aber regelmäßig durch die ambulante Wohnhilfe der Arbeiterwohlfahrt betreut. „Darum habe ich mich selbst gekümmert“, betont Andy A. stolz. „Die machen auch Schuldnerberatung. Und vielleicht klappt es auf diesem Weg mit einer neuen Bleibe. Außerdem ist meine Bewährungshelferin auch am Ball.“

Schon im Sommer vorigen Jahres versuchte der Angeklagte, seinem Dasein einen Sinn zu geben. Er kümmerte sich um eine Alkoholentwöhnungstherapie, die von der Krankenkasse auch bewilligt wurde, beendete die halbjährige Kur erfolgreich. „Dann bin ich leider rückfällig geworden“, räumt er selbstkritisch ein. „Ich konnte nicht mehr mitansehen, wie meine Mutter leiden musste.“ Jetzt werde wirklich alles anders, versichert Andy A. hoffnungsfroh. (*Name von der Redaktion geändert.) Hoga

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