Von Günter Schenke: Bunte Schutzgeister der Bäume
Aktion gegen Havelausbau in Marquardt 80 Figuren säumen den Sacrow-Paretzer Kanal
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Marquardt – Gesichter mit weit aufgerissenen Augen und herausgestreckter Zunge, zum Stopp gespreizte Hände – fast lebensgroße Figuren schauen dieser Tage von den alten Bäumen am Uferweg des Sacrow-Paretzer Kanals in Marquardt. „Wir können uns ja nicht selbst tagelang an die Bäume ketten“, sagt Marina Donner vom Aktionsbündnis gegen den Havelausbau. Durch die geplante Verbreiterung des Kanals würden hier 800 zum Teil sehr alte Bäume fallen, dagegen wolle sie und ihre Mitinitiatoren etwas tun. Zahlreiche Helfer des Aktionsbündnisses banden gestern Mittag die Sichtfiguren aus Spanplatten etwa drei Meter hoch als „schützende Geister“, wie einer der Akteure sagt, an die gefährdeten Bäume.
Geschaffen hat die 80 Schutzgeister der Künstler Wolfgang Schmidt. „Wolle“, wie ihn seine Freunde nennen, hat in Brieselang ein Atelier. Hier sägte er in aufwändiger Arbeit die vielen Spanplatten aus und gab ihnen mit wetterfester Farbe Gesicht und Gestalt. „Es sind meine Fantasieprodukte, ein Vorbild haben sie nicht“. Überwiegend freundlich, manchmal auch mit einem Stock bewaffnet, sollen sie die Spaziergänger und nach dem Laubfall ebenso die Kanalschiffer auf die bedrohliche Situation für die Bäume aufmerksam machen. Der 1965 geborene Künstler ist äußerst vielseitig und betreibt nach eigener Aussage neben Bildhauerkunst und Kunstmalerei auch die Dichtkunst und Musik.
Auf die Frage, ob er denn für die Kunstaktion eine Genehmigung habe, sagt „Wolle“: „Nein, wir haben das einfach so ausgedacht und gemacht, wir müssen doch etwas tun, damit die Bäume nicht vernichtet werden.“ Marina Donner ergänzt, dass für eine Kunstaktion keine Genehmigung erforderlich sei, außerdem würden die Bäume durch das Anbinden der Tafeln nicht beschädigt.
Hintergrund der Initiative ist das „Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 17“, nach welchem die Wasserwege zwischen Magdeburg und Berlin für Großraumschiffe ausgebaut werden sollen. Ein solches „Großraumschiff“ im Miniaturformat ließ das Aktionsbündnis gestern in der Nähe der Bogenbrücke in Marquardt zu Wasser. „Motorschiff Größenwahn“ heißt der Container-Frachter, der eigentlich als Präsent für den brandenburgischen Verkehrsminister Reinhold Dellmann gedacht war. „Aber der verweigerte die Annahme“, hieß es gestern.
Wie berichtet, sind gegen den Havelausbau mehrere Klagen, unter anderem von der Stadt Potsdam, anhängig. Der Leiter der „Bundeskontaktstelle Wasser“ der Grünen Liga, Michael Bender, bekräftigte vor der Kunstaktion in Marquardt, der Ausbau des Sacrow-Paretzer Kanals hätte „einen unverhältnismäßigen Eingriff in Natur und Landschaft zur Folge“. Eine Vielzahl von hundertjährigen Eichen und der Lebensraum des Bibers wären gefährdet. Außerdem sei der Ausbau laut einer Studie der Technischen Universität Hamburg-Harburg überflüssig. Vom Wasserstraßen-Neubauamt gibt es schon seit langem die Zusicherung, dass mit den Baumaßnahmen erst nach der gerichtlichen Klärung begonnen werde. Bis dahin werde auch keiner der 800 Bäume, die vom Ausbau betroffen wären, gefällt.
Günter Schenke
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