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MITgefühlt: Buntes Potsdam

Vielleicht geht es Ihnen genauso wie mir. Beinahe jeden Morgen spielt sich dieselbe Szene ab: Vor dem offenen Kleiderschrank stehe ich und überlege: Was soll ich heute wieder anziehen, welche Farbe soll es heute sein?

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Vielleicht geht es Ihnen genauso wie mir. Beinahe jeden Morgen spielt sich dieselbe Szene ab: Vor dem offenen Kleiderschrank stehe ich und überlege: Was soll ich heute wieder anziehen, welche Farbe soll es heute sein? Für diejenigen, die noch Kinder im Schulalter haben und in einer fernsehfreien Welt erziehen, vervielfältigt sich die Frage.

Manchmal frage ich meinen Freund, der dann lächelnd seine Wünsche äußert. Es zeigt Wirkung. Am Eingang des Hauses steht gelegentlich eine Nachbarin und kommentiert: „Wieder so schick – und so lebendige Farben!“

Mehrmals habe ich die Telefonnummer meiner Schneiderin angeboten, so wie neulich auf einer Pinguinenkonferenz in Potsdam, wo alle in Schwarz und Weiß angezogen waren. Aber die Antwort lautet meistens: „Ach, es passt uns doch nicht mit unseren blassen Hautfarben.“ Warum Menschen denken, dass europäische Kleider allen Menschen in der Welt gut passen sollten, Kleider aus anderen Ländern der Welt bei Europäern nicht gut aussehen würden, ist für mich immer ein Rätsel gewesen.

Mit der Tram bin ich an verschiedenen Baustellen vorbeigefahren. Vor einem Gebäude wurde sogar die Baurüstung rot gemalt. Im grauen Morgenlicht verleiht dieser Anblick einen Hauch von Leben. Würden doch die Baustellen immer so eindrucksvoll gestaltet werden und so einladend wirken wie der Bauzaun um das neue Schloss.

Ästhetik ist auch ein Thema zwischen zwei Fahrgästen. Einer kritisiert das Design der neuen Tram: „Fachleute werden doch bezahlt, um etwas Praktisches zu konzipieren.“ Der andere erwidert: „Glaubst du Hobby-Ingenieur, dass du es besser geschafft hättest?!“

Am Hauptbahnhof beeindruckt die Vielfalt der Klänge und Töne. Die flötenähnliche Stimme eines Jungen und die Mezzo-Stimme spanischsprachiger Mädchen vermischen sich zu einer unverwechselbare Melodie, wie sie auch den Charme anderer – größeren – Weltmetropole ausmacht. Viele Farben sind zu sehen: blaue Jeans, blaugraue Mäntel, ab und zu eine bunte Mütze, ein grüner Kinderwagen und eine weiße Musikhülle. Meistens sind Menschen über 60 bunter angezogen als Teenager. Und die buntesten Elemente sind die Einkaufstaschen.

Vor dem Bahnhof steht eine Tram. Die Verkehrsbetriebe zeigen auf der Werbefläche verschiedene Personen als ihre Fahrgäste – und wollen sagen: so verschieden wie die Stadt. Ich blicke auf die einzelnen Gesichter. Und wo bin ich? Es ist ja nur Werbung: Die Wirklichkeit ist in Potsdam noch bunter.

Marianne Ballé Moudoumbou wohnt in Potsdam und arbeitet als Diplom-Dolmetscherin. Ende 2010 wurde sie von rund einer Million Berliner und Brandenburger mit Migrationsgeschichte stellvertretend gewählt, um die Interessen der Gesellschaft im RBB-Rundfunkrat zu vertreten.

Marianne Ballé Moudoumbou

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