Von Guido Berg: Bürger fordern offenen Landtag
Gegen „Arroganz der Macht“: Aktion von Mitteschön für seitliche Toreinfahrten zum Landtagsschloss-Hof
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Als US-Präsident Ronald Reagan 1987 vor dem Brandenburger Tor rief „Mr. Gorbachev, open this gate!“, galt diese Forderung als ziemlich unreal. Zwei Jahre später jedoch war die Mauer gefallen und das Brandenburger Tor offen. Freilich hatte Kreml-Chef Michael Gorbatschow seinen Anteil am epochalen Geschehen, erzwungen hat den Mauerfall jedoch das Volk. Das stand gestern in Gestalt der Bürgerinitiative „Mitteschön“ wieder vor einer Mauer – wenn auch mindestens drei Nummern kleiner – dem Bauzaun zur Landtagsbaustelle in der Potsdamer Mitte. Mit einer Protestaktion forderte Mitteschön die Öffnung von Toren, genau genommen, die Wiederherstellung der seitlichen Toreinfahrten des einstigen Stadtschlosses, das architektonische Vorbild für den neuen Landtag als Nachfolgebau. „Mr. Platzeck, open this gate!“ lautete eine Forderung an die Adresse des brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD), die mit großen Lettern auf ein Plakat geschrieben war. Auf einem anderen Plakat hieß es ebenfalls im Tenor des Kalten Krieges: „Halt! Sie verlassen den städtischen Sektor.“ Zur Illustration hatte der Maler Wolfram Baumgardt die Blickachse durch die Toreinfahrten auf eine große Leinwand gemalt.
Die 125 Meter langen Seitenfronten ohne Durchgang zum Innenhof „entsprechen nicht unseren Vorstellungen von einem offenen Landtag“, erklärte Mitteschön-Sprecherin Barbara Kuster. Der alleinige Zugang durch das Fortuna-Portal vermittle den Eindruck „einer Ritterburg mit Zugbrücke“. Stehe da auch noch ein Posten, „halten die Bürger da höchstens einmal die Nase rein und gehen dann weiter“, sagte Barbara Kuster. Überall werde versucht, „Bürgerwege zu beschneiden“, am Griebnitzsee, am Groß Glienicker See, aber auch in der Potsdamer Mitte. Mitteschön verstehe die Protestaktion auch als „Rückenwind für den Oberbürgermeister“, der nach Aussage der Mitteschön-Sprecherin dieser Tage mit dem Landtagspräsidenten Gunter Fritsch (SPD) über die städtebaulichen Probleme des Landtagsbaus verhandelt. Der Schlosshof sei selbst zu Kaiserzeiten offen zugänglich gewesen. Ihn in der Demokratie zu versperren wäre „ein schlechtes Signal“. Es sei „empörend“, so der Kunsthistoriker Joachim Kuke, dass wegen weniger zusätzlicher Büros „für den Landesrechnungshof“ die Bürger ausgesperrt werden. Der Wegfall der Tordurchfahrten wird vom Land mit dem großen Bürobedarf begründet. Der Landtag wolle „vom Berg runter kommen“, zitierte Mitteschön-Mitglied Monika Ludwig aus Platzecks Festrede anlässlich des ersten Spatenstiches für den Landtag. Dieser hatte erklärt, durch das Verlassen des „Kreml“, dem jetzigen Landtagssitz auf dem Brauhausberg, könne künftig mit dem Bürger „auf Augenhöhe“ diskutiert werden. Ludwig zufolge werde dieses Ziel durch einen versperrten Innenhof nicht erreicht.
Nach Ansicht von Christian Wendland, Architekt und zu DDR-Zeiten wegen seiner Kritik am Abriss des Stadtschlosses inhaftiert, agiere das Land, als sei der Landtagshof „exterritoriales Gebiet“. Es fehle noch und das Land beanspruche wie der Vatikan in Rom „die Briefmarken-Hoheit“ für den Innenhof. Natürlich müsse sich das Land auch für die Einbindung des Landtagsgebäudes in den Stadtraum interessieren, fordert Wendland. Das dies bis dato nicht der Fall sei, habe die Bürger „verletzt“. Wendland: „Das ist die Arroganz der Macht.“
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