Landeshauptstadt: Bürger-Stadt Potsdam
Rathaus zieht positive Zwischenbilanz für Modellprojekt. Kritik von Initiativen an Dialogbereitschaft
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Potsdam soll Vorbild-Stadt für Bürgerbeteiligung werden. Das hatte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) nach seiner Wiederwahl im Herbst 2010 als großes politisches Ziel seiner Amtszeit ausgegeben. Es dauerte, bis er die Chefsache Bürgerbeteiligung auch umsetzen konnte – doch seit anderthalb Jahren gibt es nun das Modellprojekt „strukturierte Bürgerbeteiligung“ und das zugehörige Büro für Bürgerbeteiligung. Es ist Anlaufpunkt für Ideen, Sorgen oder Probleme der Bürger im Rathaus.
Am gestrigen Montag zog die Stadtverwaltung gemeinsam mit den Trägern des Projekts eine erste Zwischenbilanz. 22 Projekte begleitete das Gremium seit seiner Gründung 2013. Es besteht vor allem aus der „WerkStadt für Beteiligung“ und dem Beteiligungsrat, in dem Bürger, Experten und Vertreter der Stadtverwaltung gemeinsam nach Lösungen suchen und Diskussionsprozesse begleiten.
Die Basis für die Arbeit des Projekts sind Grundsätze zum transparenten und bürgernahen Handeln, auf die sich Potsdams Stadtverordnete 2011 geeinigt hatten. Dabei geht es vor allem um die frühzeitige und verbindliche Beteiligung bis hin zur Chancengleichheit und Anerkennung aller Mitwirkenden.
Man sei zufrieden mit der bisherigen Arbeit, sagte der Leiter des Fachbereichs Kommunikation, Wirtschaft und Beteiligung in der Stadtverwaltung, Dieter Jetschmanegg. Demnach wurden etwa zahlreiche Informationsveranstaltungen zur Flüchtlingsunterbringung organisiert, die Planungswerkstatt Lustgarten initiiert oder die Gründung der Kulturlobby unterstützt, nachdem Kreativschaffende aus der Alten Brauerei neue Räume brauchten. Außerdem diskutiert die „WerkStadt für Beteiligung“ mit beim geplanten Leitbild für Potsdam, dem Seniorenplan und einem Innenstadt-Verkehrskonzept. Bauvorhaben wie in der Großbeerenstraße oder am Brauhausberg wurden ebenso begleitet und die Debatte dazu moderiert.
„Beteiligung ist deutlich mehr als nur Befragung“, betonte Jetschmanegg. So seien bislang auch viele Grundsätze entwickelt worden. „Wir sind die Anwälte des Beteiligungsprozesses“, fügte er hinzu. Allerdings befinde man sich noch in der Probephase und müsse viel lernen. Das Projekt läuft zunächst bis Ende 2016. Pro Jahr stehen 260 000 Euro zur Verfügung.
Thomas Hintze von der Bürgerinitiative Pro Brauhausberg ist allerdings nicht so zufrieden mit der Bürgerbeteiligung in Potsdam. Gerade beim Bebauungsplan Leipziger Straße/Brauhausberg seien Bürger vor vollendete Tatsachen gestellt worden. „Das war ein Monolog und kein Dialog“, sagte er den PNN. So habe bei einer Begehung des Geländes im vergangenen Jahr kein Vertreter der Stadt teilgenommen, kritisierte er und warf der Stadtverwaltung eine „Verweigerungshaltung zum Dialog“ vor.
Auch beim Bürgerdialog zur Garnisonkirche sollen Beteiligungsrat und die „WerkStadt für Beteiligung“ eine große Rolle spielen und zu einer Befriedung der seit Jahren andauernden und teils emotionalen Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern führen. „Es gibt noch keinen Konsens, wie ein Dialogprozess stattfinden könnte“, räumte der Vorstand des Trägervereins Mitmachen e.V., Carsten Herzberg, allerdings ein. Er habe Respekt vor dem Erfolg des Bürgerbegehrens und den rund 14 000 Unterschriften gegen den Wiederaufbau, betonte er. Beide Seiten – die Stiftung Garnisonkirche Potsdam und die Bürgerinitiative (BI) für ein Potsdam ohne Garnisonkirche – müssten den Dialog aber zuvor akzeptieren.
Der Fachbereichsleiter für Beteiligung Jetschmanegg betonte in diesem Zusammenhang, dass eine Bürgerbefragung erst nach einem Bürgerdialog zwischen Gegnern und Befürwortern eines Wiederaufbaus durchgeführt werden könne. Dem widersprach Simon Wohlfahrt von der BI für ein Potsdam ohne Garnisonkirche. „Es ist total sinnlos, zuerst einen Bürgerdialog zu machen“, sagte er den PNN und verwies darauf, dass es nur ein Ja oder Nein geben könne. Er kritisierte auch, dass Jakobs den Dialog moderieren solle. „Ein Parteiischer kann kein Schiedsrichter sein.“ Die BI wolle sich einem Dialog nicht verschließen. Aber er müsse gleichberechtigt sein. „Bei diesen konträren Positionen geht er nur krachen.“ Ansonsten sei eine solche Veranstaltung nur eine Werbe- und PR-Aktion für den Wiederaufbau.
Stefan Engelbrecht
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