Landeshauptstadt: Bürgerbefragung zum Landtagsneubau
Politik wird nicht an Glaubwürdigkeitgewinnen, sondern verlierenUngeachtet dessen, ob die Bürgerbefragung zum Bau des Brandenburgischen Landtages verfassungswidrig ist oder nicht, die politischen Entscheidungsträger tun der Demokratie in der Stadt Potsdam damit keinen Gefallen. Insbesondere dann, wenn man Politikverdrossenheit abbauen möchte, kann sich die Konsultation negativ auswirken.
Stand:
Politik wird nicht an Glaubwürdigkeit
gewinnen, sondern verlieren
Ungeachtet dessen, ob die Bürgerbefragung zum Bau des Brandenburgischen Landtages verfassungswidrig ist oder nicht, die politischen Entscheidungsträger tun der Demokratie in der Stadt Potsdam damit keinen Gefallen. Insbesondere dann, wenn man Politikverdrossenheit abbauen möchte, kann sich die Konsultation negativ auswirken. Das Problem liegt in der beliebigen Interpretation der Ergebnisse. Was ist, wenn ein Vorschlag von 34 Prozent der teilnehmenden Bürgerinnen und Bürger bevorzugt wird? Immerhin favorisieren dann 66 Prozent noch eine andere Lösung, die sich allerdings in unterschiedliche Minderheitenvoten aufsplittert. Aber auch, wenn sich eine absolute Mehrheit, also über 50 Prozent, für den Bau des „Landtags auf dem Grundriss des Stadtschlosses“ ausspräche, bleibt die Frage offen: Was bedeutet dies? Soll hier ein moderner oder ein historischer, an das frühere Stadtschloss anknüpfender Bau entstehen? Und wie weit soll diese Anlehnung gehen? Diese Unklarheit lässt den Verdacht zu, dass man lediglich eine Legitimation für eine Entscheidung braucht, die bereits gefällt ist. Verstärkt wird diese Annahme dadurch, dass die eigentliche Streitfrage „Historische Kubatur oder nicht?“ gar nicht zur Disposition steht und die anderen Optionen keine Alternative bieten, da sie zum Teil nicht durchführbar bzw. ihre Planungen unausgereift sind. Vor diesem Hintergrund wird von den politischen Entscheidungsträgern der Begriff „partizipative Demokratie“ missbraucht. Dieser beinhaltet nämlich, dass Bürgerinnen und Bürger eine gewisse Autonomie besitzen. Bei der Potsdamer Konsultation hingegen wird dies von vornherein vermieden, weil die Fragestellung einem klaren Ausdruck der Bürgermeinung entgegen steht. Ein solches Vorgehen ist nicht als „Partizipation“, sondern als „selektives Zuhören“ zu bezeichnen: Es werden dann meist von den Politikerinnen und Politikern nur jene Vorschläge aufgegriffen, die mit der eigenen Meinung übereinstimmen. Ein Großteil der Bürger wird sich jedoch bei der Interpretation der Ergebnisse missverstanden fühlen. Die Politik wird deshalb nicht an Glaubwürdigkeit gewinnen, sondern verlieren.
Carsten Herzberg, Potsdam, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in Forschungsprojekten zu partizipativer Demokratie und Bürgerhaushalten am Berliner Centre Marc Bloch
Bürgerbefragung fehlen Entscheidungsgrundlagen
Bei der Frage für oder gegen einen Landtagsneubau auf dem Grundriss des Stadtschlosses werden meines Erachtens drei wesentliche Fragen ungenügend berücksichtigt.
1.) Gibt es einen verbindlichen Zeit- und Kostenplan für den Abriss des Hotels Mercure? Diese meine Frage wurde von Frau Dr. von Kuick-Frenz in der Stadtverordnetenversammlung am 6. Dezember klar verneint. Wegen gewährter Investitionshilfen müsse das Hotel vielmehr weiterbestehen. Stimmberechtigte mögen überlegen, welche Qualität ein Landtagsschloss haben würde, vor dessen Hauptfassade nicht nur eine Hauptverkehrsader tost, sondern auch und ein DDR-Hochhaus ohne architektonische Vorzüge aufragt.
2.) Was geschieht nach dem Auszug des Landtags mit dem bisherigen Landtagsgebäude, dessen Fassade unter Denkmalschutz steht? Wer trägt die Kosten für seine Erhaltung? Das Land hat das Brauhausberggrundstück 1997 für 13,5 Millionen DM von der Bundesrepublik gekauft. Die Stadt vertritt den Standpunkt, dies gehe sie nichts an, da das Grundstück dem Land gehöre. Das Land, vertreten durch den Pressesprecher des Ministeriums der Finanzen, teilte mir am 14. Dezember mit: Eine Weiternutzung durch das Land sei nicht vorgesehen, das Gelände auf dem Brauhausberg würde voraussichtlich verkauft werden. Es sollte klar sein, dass Investoren sich um denkmalgeschützte Großobjekte mit Millionenbedarf an Investitionen nicht reißen. Realistisch ist langfristiger Leerstand, Verfall und Vandalismus. Dies zu verhindern, müsste die Denkmalbehörde Zwangsgelder gegen das Land verhängen.
3.) Gibt es Machbarkeitsstudien zu den Standorten Speicherstadt und Palais Barberini? Für die Speicherstadt wurde vor etwa zehn Jahren eine solche von dem Architekten Jürgen Fissler erarbeitet, nach der ein Landtagsneubau dort möglich ist. Zum Areal des ehemaligen Palais Barberini gibt es dagegen keine Machbarkeitsstudie. Es ist zu vermuten, dass dieser Standort schon aus Platzgründen ungeeignet ist.
Fazit: Die Zeit ist für eine Entscheidung über Standortverlagerung des Landtags noch nicht reif. Die Bürgerbefragung beinhaltet suggestive Scheinfragen.
Dr. habil. Clemens Alexander Wimmer, Potsdam
Schloss-Grundstück freihalten für wirkliche Belebung der Mitte
Warum wird die Variante Landtag auf dem Gelände des ehemaligen Palastes Barberini nicht stärker favorisiert? Damit bliebe der Standort Stadtmitte erhalten, die schwierige Raumfrage wäre gelöst und der Anfang für die weitere Bebauung gemacht. Gleichzeitig könnte - schrittweise ohne Druck - der Schlossaufbau, vom Fortunaportal beginnend, weitergeführt werden. Finanziert von Spenden und Fördermitteln, wie es in Dresden möglich war. Die Nutzung des Schlosses ist dann frei z.B. für Universität, Bibliothek, Kultur, Präsentation von Forschungsergebnissen Potsdamer Institute etc. Dies würde eine wirkliche Belebung der Potsdamer Mitte sein.
Günter Wiedemann, Potsdam
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