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Landeshauptstadt: Cecilie, Churchill und die Agenten

Glienicker Brücke als Lernort der Geschichte: Design-Studenten der Fachhochschule legen Konzept vor

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Berliner Vorstadt - Ein nächtlicher Besuch der Glienicker Brücke – und die Aufgabe drängt sich auf: „Der Mangel ist offenbar“, sagt Volker von Kardorff, Design-Professor an der Fachhochschule Potsdam, der mit einem Studententeam ein Beleuchtungskonzept für die Brücke zwischen Potsdam und Berlin erarbeitet hat. Derzeit wird die Glienicker Brücke in der Nacht lediglich durch eine funktionelle Straßenbeleuchtung erhellt. „Das wird der Bedeutung des Ortes absolut nicht gerecht“, stellt der Professor fest. Die Glienicker Brücke hat eine 350-jährige Geschichte. In der Zeit des Kalten Krieges nutzten die Supermächte USA und Sowjetunion die Brücke zum Austausch von Agenten. Das Bauwerk gilt als eines der wichtigsten Symbole der deutschen Teilung.

In Berlin werden „Orte mit besonderer Lichtbedeutung“ definiert; die Glienicker Brücke ist so ein Ort, sagt von Kardorff. Das in einem dreisemestrigen Hauptkurs entstandene Beleuchtungskonzept – Teil eines von den Studenten erarbeiteten Gesamtkonzepts für die Brücke als „natürlicher Lernort zur deutschen Geschichte“ – ist von Kardorff zufolge „bis zur einzelnen Leuchtposition zu Ende gedacht“. Der Professor: „Wir könnten es sofort umsetzen.“ Gespräche mit den Verwaltungen in Berlin und Potsdam stünden nun bevor.

Der Vorschlag des FH–Teams, zu dem neben den Studenten und von Kardorff auch die Design-Professoren Lutz Engelke und Detlef Saalfeld gehören, kommt zur rechten Zeit. Die Stadt Potsdam hat gerade alle Interessierten zur Erarbeitung eines stadtweiten Gedenkkonzeptes aufgerufen. Prompt beteiligten sich die FH-Studenten daran und reichten ihr Konzept für die Glienicker Brücke ein. Bereits in der Vergangenheit war mehrfach der Ruf nach einer professionellen Information der die Brücke besuchenden Touristen laut geworden, etwa von dem DDR-Bürgerrechtler Manfred Kruczek und dessen Forum zur kritischen Auseinandersetzung mit DDR-Geschichte im Land Brandenburg e.V. Der ehemalige Stadtverordnete kämpft seit über einem Jahr vergeblich für die Wiederaufstellung einer abgebauten Informationsstele, die Besucher der Brücke einst über deren Geschichte informierte. Nun, kurz vor Saisonbeginn, sieht Kruczek „Gefahr im Verzug“ und fordert die Stadt Potsdam erneut auf, „umgehend zumindestens den alten Zustand mit Stele wiederherzustellen“.

Kruczek, Mitinitiator der Mauergedenkstätte am Griebnitzsee, ist von dem Projekt der FH-Studenten für die Glienicker Brücke äußerst angetan und stellt „einen wohltuenden Kontrast zu der anhaltenden Gleichgültigkeit der Stadtpolitik“ fest. Nach Pressemeldungen über Kruczeks Kritik an „erheblichen Defiziten in der Gedenkkultur in Potsdam“ hatten die Studenten den Kontakt zu dem DDR-Bürgerrechtler gesucht. Die jungen Leute hätten „mit großem Engagement ein sehr ansprechendes Konzept der Glienicker Brücke als Lern- und Erinnerungsort“ erstellt, findet Kruczek.

Zu den Ideen der Studenten – u.a. Naomi Knopf, Marina Pest und Frauke Julia Hummel – gehört die komplette Integration der Leuchten in die Brückenkonstruktion. „Jetzt stehen da entsetzliche Mastleuchten“, sagt von Kardorff. Viele Aspekte waren zu beachten, von den Beleuchtungsbedürfnissen der Autofahrer über die Gefahr der Lichtverschmutzung bis hin zur Rücksichtnahme auf das nahe Welterbe. Das Ergebnis ist eine sehr dezente Hervorhebung des Bauwerkes aus der Dunkelheit.

Zur Darstellung der Geschichte der Brücke ist es dem FH-Team wichtig, sie „nicht monokausal zu sehen“, erklärt der Design-Professor: „Das wäre ein Jammer.“ Die Glienicker Brücke habe eine große Anzahl an Bedeutungsebenen, keinesfalls könne es einzig nur um die Agentenbrücke zur Zeit des Kalten Krieges gehen. Touristen oder auch Schulklassen sollen den Ort mehrmals besuchen können, jeweils mit einem anderen Interessenfokus – Geschichte, Zeitgeschichte, Landschaftsraum, Topografie. Von Kardorff: „Man kann hier so viele Geschichten erzählen.“ Die Studentin Naomi Knopf: „Man kann die Agentenbrücke besichtigen. Oder hingehen, um mehr über die Vorgängerbrücke aus Stein zu erfahren. Die stammte immerhin von Schinkel und war eingebettet in eine Landschaft von Lenné.“

Die moderne Technik mache es möglich, verschiedene Thematiken zu beleuchten. Das FH-Team stellt sich vor, an der Brücke könnten „Zeitgläser“ aufgestellt werden – PC-Monitore, die aussehen wie festinstallierte Ferngläser im Gebirge. Die Besucher können beim Reinschauen in die Zeitgläser auf spezifische, abgebildete Symbole zoomen und damit dann ein bestimmtes Bild öffnen oder einen Info-Film starten. In der Projektbeschreibung heißt es: „Der Besucher taucht über das audiovisuelle Medium in die jüngste und ferne Vergangenheit ein, entdeckt Wächterhäuschen und Grenzsoldaten am anderen Ufer, beobachtet preußische Kutschen und erlebt die Zerstörung der Brücke.“ Von Kardorff: „Der Besucher kann sagen: ,Mich interessiert jetzt mal die Zeit zwischen 1840 und 1910’.“

Zu dem Konzept gehört auch ein Bildungsspaziergang von der Glienicker Brücke zum Schloss Cecilienhof. Via Wireless-Lan und App können Informationen auf dem Smartphone abgerufen werden – etwa Winston Churchill oder die Kronprinzessin Cecilie als virtuelle Zeitzeugen, „die mit uns sprechen und uns von dem Ort berichten“, sagt Naomi Knopf.

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