Landeshauptstadt: „Chance aus der Krise“
Der Architekt Ludger Brands von der FH Potsdam zu der Entscheidung
Stand:
Herr Prof. Brands, wie stehen Sie zu der Entscheidung gegen den Landtagsbau?
Hier zeigt sich einmal mehr, dass die politische Verantwortung für weit reichende Entscheidungen – die Zukunftsfähigkeit der Stadt Potsdam in historischer aber auch kultureller Hinsicht nicht nur abzusichern, sondern vor allem in bewusstes Handeln umzusetzen – nicht wahrgenommen worden ist. Dies ist in erster Linie nicht dem Oberbürgermeister, sondern zwei unterschiedlichen Interessenslagen anzulasten. Einer Fraktion, die die organisierte, vor allem ideologisch geprägte Zerstörung der Innenstadt – eingeleitet nicht durch die Kriegsschäden, sondern durch die Sprengung des Stadtschlosses und der nachfolgenden Banalisierung des öffentliches Raumes durch den Nachkriegsstädtebau – mit dieser Entscheidung zementieren möchte. Anderen Fraktionen erschien die Bebauungsplanvorlage nicht weit und präzise genug artikuliert.
Ist die Entscheidung ein Schlusspunkt?
Auch wenn es scheint, dass durch diese Entscheidung die Entwicklungschancen der Potsdamer Mitte für Jahre verspielt seien, gilt es nun nach vorne zu schauen und der Realisierung des „Landtagsneubaus im Stadtschloss“ die vielleicht letzte Möglichkeit einzuräumen mit eindeutigen und kompromisslosen Vorgaben. Eine lehrreiche Erfahrung war, dass die Reduktion der Debatte um die größtmögliche Annäherung an das ehemalige Stadtschloss nur auf Linien und Traufhöhen und nicht auf die Fokussierung auf ein Höchstmaß an Kunstsinn für die Entwicklung der gesamten Mitte aus der Keimzelle „Stadtschloss“ wenig hilfreich war.
Liegt in der Krise auch eine Chance?
Die Chance aus der Krise kann auch bedeuten, nun über die Entwicklung der Mitte in einer gesamtheitlich zu betrachtenden stadträumlichen und architektonischen Komposition nachzudenken und im Rahmen eines diskursiven Verfahrens mit geeigneten Architekten auf höchstem Niveau die vielleicht wichtigsten Fragen, die an diesen Ort gebunden sind, zu beantworten. Vorangestellt sein muss aber nun die grundsätzliche Fragestellung nach inhaltlichen Alternativen. Eine Mitte ohne Schloss ist kaum vorstellbar. Aber erlaubt sein sollten Überlegungen nach Alternativen, wie etwa ein Standort für Wissenschaft und Forschung, universitäre Einrichtungen, Bibliotheken und Ähnliches.
Was können wir aus dem Debakel lernen?
Eine essenzielle Erfahrung kann aus den komplizierten aber nie eindeutig positionierten Debatten der letzten Jahre gewonnen werden. Es fehlt die Begeisterungsfähigkeit für die Sache und die Leidenschaft für ein zentrales Anliegen. Leblose Kompromisse und inhaltliche Aufweichungen haben da in der Verfolgung eines wichtigen Zieles keinen Platz.
Welche Bedeutung hätte die Verwirklichung des Baus gehabt?
Durch das vehemente Eintreten des Ministerpräsidenten und ehemaligen Oberbürgermeisters, aber vor allem des amtierenden Oberbürgermeisters für eine Neuorientierung der bis heute verloren gegangenen Mitte war die einmalige Chance gegeben, dass die Stadt Potsdam in naher Zukunft wieder durch ein erinnerbares Bild von hoher stadträumlicher, architektonischer und atmosphärischer Qualität wahrgenommen werden kann und nicht nur reduziert wird auf die Kulturlandschaft der Schlösser und Gärten. Potsdam ist mehr als Sanssouci.
Woran krankte es bei der Stadtplanung?
Hätte die Stadtplanung bei der Erstellung der B-Plan-Entwurfes nicht den wenigen für eine positiver Entscheidung wichtigen Bedenkenträgern entgegen kommen müssen, die für eine stärkere und eindeutige Präzisierung der Vorgaben im Sinne einer Respektierung von einerseits Kubatur und Linienführung und andererseits architektonischen Reichtums des Knobelsdorffschen Schlosses eingetreten sind? Auch die ständige Einflussnahme aus der Richtung der Landespolitik war wenig hilfreich in diesem Prozess.
Ludger Brands ist Professor für Architektur und Städtebau an der Fachhochschule Potsdam. Fragen von Jan Kixmüller.
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