Garnisonkirche: Chance zur Versöhnung
Geistliche aus Coventry begrüßen die Pläne zum Wiederaufbau und die Mitgliedschaft in der weltweiten Nagelkreuzgemeinschaft. Trotz des vor der Garnisonkirche geschlossenen Bündnisses zwischen Faschismus und Militär könne das Nagelkreuz zum Symbol einer weltweiten Partnerschaft werden.
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Innenstadt - Der neue Domprobst der Kathedrale im englischen Coventry, John Witcombe, hat den geplanten Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche als wichtigen Beitrag für die Geschichts- und Versöhnungsarbeit bezeichnet. „Es ist wichtig, dass es eine gemeinsame Erinnerungsarbeit gibt. Dafür ist Potsdam ein wichtiger Ort“, sagte der Geistliche, der das Probstamt seit vier Wochen innehat.
Witcombe besuchte gemeinsam mit dem Domkapitular David Porter aus Coventry in den vergangenen vier Tagen unter anderem die Dresdner Frauenkirche und die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin, die beide zur weltweiten Nagelkreuzgemeinschaft gehören. Am letzten Tag stand am Freitag Potsdam auf dem Plan, wo sich die beiden Kirchenvertreter über den Projektstand zum Wiederaufbau der Garnisonkirche informierten.
Seit 2004 ist der Standort der ehemaligen Garnisonkirche ein Zentrum der Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland – insgesamt gibt es bundesweit 45. In der provisorischen Kapelle findet einmal im Monat eine Andacht mit dem „Gebet von Coventry“ statt. Die Tradition wurde 1959 in Coventry begründet: Jeden Freitag um 12 Uhr wird in der Kathedrale und vielen Nagelkreuzzentren der Welt gebetet. Die Geschichte der Nagelkreuzbewegung begann nach der Zerstörung der Kathedrale in Coventry durch deutsche Bomben 1940: In die Ruinenmauern schrieb der damalige Domprobst „Father – forgive“, aus verbrannten Nägeln formte er ein Kreuz.
Dass mit dem „Tag von Potsdam“, als am 21. März 1933 Hitler und Reichspräsident Hindenburg vor der Garnisonkirche das folgenschwere Bündnis zwischen deutschem Faschismus und preußischem Militär schlossen, auch das Schicksal Conventrys verbunden wird, ist ein Teil der Geschichte. „Mit dem Wiederaufbau verbindet sich die Chance, der ganzen Welt die Geschichte der Kirche mit all ihren Gegensätzen und schwierigen Etappen zu erzählen“, sagte Witcombe. Das Nagelkreuz könne dabei als Symbol einer weltweiten Partnerschaft dienen und zeigen, „dass wir uns in Freundschaft vor Gott vereint haben“, fügte er hinzu.
Priester Porter ermutigte die Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche, an dem Projekt festzuhalten, auch wenn es Vorbehalte und Widerstand gebe. „Ein Ignorieren oder Verschweigen ist keine Geschichtsarbeit“, sagte er. „Wenn man selbst keine Verantwortung übernimmt, werden es andere tun.“ Dass Geschichte immer komplex und schwierig sei, habe auch die Geschichte der Christen gezeigt: „Es war ein Akt der Scham und Schande, Jesus ans Kreuz zu nageln, doch seien daraus Vergebung, Liebe und Hoffnung entstanden“, so Porter. „Auch in England tun wir uns schwer, die dunklen Seiten unserer Geschichte aufzuarbeiten“, sagte Witcombe und nannte die koloniale Ausbeutung und Unterdrückung Kenias oder den „Bloody Sunday“ – die tödlichen Schüsse britischer Soldaten auf Demonstranten in Nordirland 1972 – als Beispiele. „Dennoch gehört die Geschichte erzählt!“
„Unsere ursprüngliche Idee eines internationalen Versöhnungszentrums stellte sich als zu ambitioniert dar“, erklärte Burkhardt Franck, Vorsitzender der Fördergesellschaft, den britischen Gästen, dass man sich in Potsdam zunächst auf das eigene Erinnern, Gedenken und Versöhnen konzentrieren wolle. Coventrys Domprobst nannte das einen wichtigen Schritt. „Aber genauso wichtig ist es, im gegenseitigen Austausch Unterschiede und Gemeinsamkeiten deutlich zu machen“, sagte er.
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