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Landeshauptstadt: Chef von einer Million Geschichtenerzählern

Szenenbildner Eckhard Wolf ist neuer Leiter des Requisitenfundus und „nichts ohne sein Mitarbeiter“

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Szenenbildner Eckhard Wolf ist neuer Leiter des Requisitenfundus und „nichts ohne sein Mitarbeiter“ Von Nicola Klusemann Das goldgerahmte Spieglein-Spieglein aus dem Defa-„Schneewittchen“, röhrender Hirsch in Öl, Töpfe, Pfannen, Radiogeräte quer durch die Jahrzehnte, bestickte Wimpel als Auszeichnung für beste Kälberzucht, Portionsteller aus Plaste: über eine Million Einzelteile aus Ufa-, Defa- und der Neuzeit zählt der Requisitenfundus im Art Departement von Studio Babelsberg. Eine Million Geschichtenerzähler nennt sie der neue Leiter der Sammlung, Eckhard Wolf. Die vielen Alltäglichkeiten vom Armleuchter bis zum Zahnstocher sind Zeugnisse ihrer Zeit geworden. Ein Zauberland nennt Wolf es schwärmerisch. „Wenn sie ein paar Schauspielern die alten Kantinentabletts in die Hand drücken, sieht jeder: So war“s“, sagt der ausgebildete Szenenbildner. „Mit solchen Sachen kann man eine Zeit erzählen.“ Das hat er in seiner früheren Tätigkeit als Filmarchitekt viel genutzt. Jetzt hat der 53-Jährige die Seite gewechselt: Vom Kunden zum Mann hinterm Tresen, von der kreativen Tätigkeit zur Lagerverwaltung. Das klinge trockener als es sei und hätte zum Beispiel nichts zu tun mit einem, der im berühmten schwedischen Möbelhaus in Einzelteile zerlegte Regale kartonweise ausgibt. Schließlich müsse man im Fundus stilsicher sein und die Gegenstände ihren Zeiten zuordnenen können. Ein Wissen, dass der Möbelmaler- und -lackierer noch aus seiner Lehrzeit mitbringt. Eine Arbeit, die nicht mit dem Genre Film zu tun hat, wäre für ihn nach drei Jahrzehnten in der Branche nicht in Frage gekommen, betont Wolf. Im Team als Teil des Ganzen umschreibt er seine Position. Auch im Requisitenfundus sei der Chef „nichts ohne seine Mitarbeiter“. Acht sind es in Babelsberg an der Zahl, die mit Bestellzetteln in der Hand die geforderten „Zeitzeugen“ aus den Regalen nehmen und zum Ausliefern zusammenstellen und transportsicher verpacken oder die zurückgebrachten Requisiten wieder an ihren Stammplatz stellen. Bis zur Decke der zweigeschossigen Hallen stapeln sich die Sachen, jeder Winkel ist ausgenutzt, der Fundus platzt aus den Nähten. Und doch wolle man sich von nichts trennen. Schließlich könnte es ja mal gebraucht werden, argumentiert der Leiter wie Männer im Allgemeinen, wenn es um das Ausmisten ihres Hobbyraums geht. Der Übergang in seinen neuen Lebensabschnitt als Fundusleiter sei fließend, kein abrupter Szenenwechsel. Seine Vorgängerin Annerose Schlegel, die nach 34-jähriger Tätigkeit im Filmstudio Babelsberg langsam in den Ruhestand gleitet, helfe ihm dabei. Und seine ehemaligen Kollegen. Während der vielen Stunden im Büro springt immer wieder die Tür auf, grüßen alte Bekannte durch das offene Fenster. Wolfs letzte Projekte als Szenenbildner forderten vor allem seine detaillierte Kenne der DDR-Zeit. So spielte eine Brigitte-Reimann-Verfilmung mit dem Arbeitstitel „Hunger nach Leben“ in einem Schriftstellerheim der 50er, 60er Jahre. Um ein passendes Schloss zu finden, sei er durch die Lande gefahren, habe sich vierzig hochherrschaftliche Anwesen angeschaut. Es sei schwierig gewesen, denn die Örtlichkeit sollte eine Mischung aus alter Schönheit und Tristesse sein. Ebenso aufwendig waren die Recherchen für den Fernsehfilm „Die Schöne von Bitterfeld“ (Sendetermin im November). Man meine immer, dass alte Straßenzüge gleich um die Ecke lägen. „Aber nix da.“ Die DDR ist Geschichte. Umstrukturierung, Sanierung, die neue Zeit haben Städte und Landschaften völlig verändert. Darum musste auch das Dorf „Liebesau“ aus dem gleichnamigen TV-Mehrteiler aus drei Ortschaften zusammengestückelt werden. Als Filmarchitekt, der Drehbücher in Szene setzt, kam er viel rum. Die neue Tätigkeit ist gesetzter. Und das könne bis zur Rente so bleiben. Den Kontakt zur Branche hat er ja allemal auf der anderen Seite der Requisitenausgabe.

Nicola Klusemann

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