Landeshauptstadt: Container Weltneuheit im
Auf dem Gelände des Bergmann-Klinikums baut die Berliner Firma „medneo“ ein modulares Radiologiezentrum. Heute wird die Innovation vorgestellt. Die PNN waren vorab exklusiv vor Ort
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Die Deckenfluter sind eingelassen und auch der Empfangstresen steht schon – wenn auch noch mit einer dünnen Staubschicht überzogen. „Das wird alles noch sauber gemacht“, versichert André Glardon. Noch vor wenigen Tagen stand der 38-jährige Berliner Unternehmer an der gleichen Stelle, nur dass um ihn herum noch gewerkelt wurde. Das dunkelbraune Laminat des künftigen Anmeldebereichs war erst zur Hälfte verlegt, im Hintergrund wetteiferte das obligatorische Baustellen-Radio mit dem Aufheulen der Bohrmaschinen. Was das Berliner Unternehmen „medneo“ auf dem Campus des Potsdamer Ernst-von-Bergmann-Klinikums baut, ist nichts weniger als eine Weltneuheit: Aus 14 alten Schiffscontainern entsteht eine mobile Radiologie-Station, die den medizinischen Fortschritt bis in die entlegensten Ecken der Welt bringen soll. Am heutigen Donnerstag soll „medneo modular“, so der Name der Innovation, offiziell vorgestellt werden.
Das Kerngeschäft des Unternehmens ist eigentlich der Aufbau und Betrieb sogenannter bildgebenden Diagnostikzentren, also Radiologie-Praxen. Gegründet wurde das Unternehmen vor drei Jahren. Der Hauptsitz ist an der Reinhardstraße in Berlin-Mitte. Die Idee zur weltweit ersten „modularen radiologischen Komplettlösung“, wie Glardon das Diagnostikzentrum bezeichnet, ist quasi die Antwort auf Anfragen aus Ländern, in denen die medizinische Versorgung aufgrund enormer Flächen, der wirtschaftlichen Lage oder der teils dünnen Besiedlung sowie des fehlenden Fachpersonals eine Herausforderung ist. „Wir hatten mehrere internationale Delegationen zu Besuch, unter anderem aus Nigeria, Libyen und dem arabischen Raum, die uns gefragt haben, ob wir solche Zentren nicht auch bei ihnen bauen könnten“, erzählt Glardon, der „medneo“ mit zwei Kollegen gegründet hat.
Der Clou von „medneo modular“ liegt in der Verbindung größtmöglicher Flexibilität, weitgehender Unabhängigkeit und tele-medizinischen Anwendungen. „Bei der Entwicklung mussten wir uns drei Herausforderungen stellen“, erläutert André Glardon. „Erstens: Oft fehlen in strukturschwachen Regionen Ingenieure und die entsprechende Infrastruktur, um ein solches Zentrum vor Ort zu bauen. Zweitens: Auch medizintechnisches Fachpersonal, das gute Aufnahmen garantiert, fehlt meist. Schließlich braucht man Experten, die die radiologischen Aufnahmen auswerten“, zählt Glardon auf. „In Nigeria gibt es bei rund 170 Millionen Einwohnern weniger Radiologen als in Berlin mit seinen 3,5 Millionen Menschen.“
Die Flexibilität der Station wird vor allem durch die Schiffscontainer garantiert. Die hat „medneo“ gebraucht im Hamburger Hafen erworben. „Da waren bis vor Kurzem vielleicht noch Bananen mit unterwegs“, meint Glardon und grinst. Der Vorteil der Schiffscontainer ist, dass sie genormt sind und selbst in schlechter ausgestatteten Häfen verladen werden können. Das Zentrum kann also in Einzelteilen vorgefertigt und vergleichsweise kostengünstig zum Einsatzort gebracht werden.
Für die Unabhängigkeit sorgt dagegen „medneo“ mit der Ausstattung, der Kunde müsse vor Ort unter anderem nur ein Fundament legen und für einen Wasseranschluss sorgen, sagt der „medneo“-Geschäftsführer. „Kann eine stabile Stromversorgung nicht gewährleistet werden, liefern wir auch Generatoren.“ Zudem sei „medneo modular“ so konzipiert, dass sie quasi in jeder Klimaregion der Welt aufgestellt werden könne.
„Blieb nur noch die Frage nach dem medizinischen und medizintechnischen Personal“, so Glardon. Und das, so die Vision, muss gar nicht zwingendermaßen vor Ort sein. Sowohl die Bedienung der Computertomografen oder Magnetresonanztomografie-Geräte als auch die Auswertung der Aufnahmen sollen künftig Experten satellitengesteuert an einem x-beliebigen Ort der Welt übernehmen können. „Vor Ort wird nur noch ein medizinisch geschultes Personal benötigt, das den Patienten richtig auf der Liegefläche lagert, medizinisch betreut und für Notfälle bereitsteht“, erläutert der Firmenchef das Konzept. Vor allem die Fernsteuerung der Geräte ist Teil der Forschungsarbeit, die in Potsdam noch geleistet werden soll.
In wenigen Tagen, Anfang Juli, soll das Zentrum auf dem Krankenhausgelände seine Arbeit aufnehmen. Dort will „medneo“ aber nicht nur selber forschen, es soll auch Impulsgeber für weitere Unternehmen der IT- und Gesundheitsbranche sein, die sich künftig auf dem Bergmann-Campus niederlassen sollen. Entsprechend traf „medneo“ mit ihrer Idee bei der Potsdamer Klinik-Leitung auf offene Ohren. „Mit Klinikum-Geschäftsführer Steffen Grebner haben wir wirklich einen Visionär getroffen, der sofort ganz klar die Vorteile erkannt hat, die in der Lösung schlummern – generell, aber auch für sein Haus.“ Schließlich könnten auch Experten aus Potsdam später die Bedienung der weltweit aufgestellten Zentren übernehmen. Die Investitionssumme für das Vorhaben belaufe sich auf einen siebenstelligen Betrag, sagt Glardon, schickt aber hinterher, dass er nicht so gerne über Zahlen spreche. Das Projekt wird vom Bund, der Europäischen Union und dem Land Brandenburg gefördert.
Vor allem aber ist die neuartige Station ein Pilot-Projekt zum Vorzeigen. „In rund einer Woche erwarten wir die erste internationale Delegation, die sich die fertige Station vor Ort anschauen will“, berichtet der Diplom-Kaufmann, der unter anderem 15 Jahre lang in Südamerika gelebt hat und von Valencia aus für Siemens Healthcare das Südspanien-Geschäft leitete. Das Interesse sei bereits groß. Einige potenzielle Kunden hätten die Absicht, sich gleich mehrere Zentren aufstellen zu lassen. Vorher aber muss „medneo“ erstmal die Frage der Serienfertigung klären. „Vielleicht ja in Brandenburg“, meint Glardon. Dann aber könnte es schnell gehen. „Für den Aufbau vor Ort brauchen wir je nach Größe schätzungsweise zwei bis vier Wochen.“
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