Landeshauptstadt: Da ist ein gutes Rad nicht teuer
Versteigerung von Fund-Bikes: Die Händler überbieten viele, aber nicht jeden
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Versteigerung von Fund-Bikes: Die Händler überbieten viele, aber nicht jeden Von Guido Berg Zwischen einem Top-Mountainbike von „McKenzie“ und Opas altem Stahlrohresel ist alles dabei. Brigitte Albrecht hat sich in ein Damenrad verguckt. Es hat einen tiefen Einstieg, denn die Potsdamerin ist leicht gehbehindert, und es hat einen Einkaufskorb am Lenkrad. Das Rad mit der Nummer 363 ist perfekt für sie. Sie war schon mal bei einer Versteigerung in Schönefeld, aber nur so aus Spaß an der Freude. Aber dieses Damenrad jetzt hier in der Straße Zum Kahleberg wäre genau das richtige für sie. Auch weil sie „kein großes Portemonnaie“ hat. Die Stadtverwaltung Potsdam versteigerte gestern vor und im Seniorenzentrum „Käthe-Kollwitz-Haus“ alles, was ein halbes Jahr lang niemand im Fundbüro abholte. Auch etwa einhundert Fahrräder. Unter den Bietern sind auch Profis, Fahrradhändler, die im großen Stil mitbieten. Auktionatorin Monika Beier ruft ein Rad auf und nennt einen Einstiegspreis. Die Interessenten heben kurz ihre grünen Bieterausweise, die sie gegen Hinterlegung von fünf Euro vorher ausgeliehen haben. Monika Beier spricht schnell und routiniert: „15 Euro, da 17, 20 Euro sind geboten, zum ersten, zum zweiten und“ Mit ihrem Holzhämmerchen drischt sie kurz auf ihren Aktendeckel und ein Fahrrad hat einen neuen Besitzer. Der Mann mit der Bieternummer 524 ergattert sich nahezu jedes Bike. Er hat schwarze Locken und eine sonnengebräunte Haut wie sie Menschen aus dem arabischen Raum eigen ist. Es kommt Geraune auf, „die Ausländer holen alles weg“ wird gerufen. Eine ältere Dame hat es auf ein Damenrad abgesehen, es ist noch nicht das mit der Nummer 363, auf das Brigitte Albrecht wartet. Sie geht mit dem Bieter Nr. 524 hartnäckig mit und erhält den Zuschlag bei 47 Euro. Bei dem folgenden „Conway“-Damenrad kennt 524 jedoch keine Grenzen. Die Profis überbieten sich, die Laien schauen zu. Für satten 140 Euro geht das schicke Zweirad in seinen Besitz. „Für Deutsche bleibt hier nichts übrig“, mosert ein älterer Herr. „Woher wissen sie eigentlich so genau, dass er kein Deutscher ist?“, wird ihm entgegnet. Der Mann stutzt, als hätte er allgemeine Zustimmung erwartet. Jetzt ist Fahrrad Nummer 363 im Angebot, Brigitte Albrecht hebt in den Dreißigern zwei mal kurz ihre grüne Karte und resigniert dann. Für 90 Euro geht ihr Schmuckstück samt tiefem Einstieg und Einkaufskorb an den Bieter mit der Nummer 524. „Zu teuer“, sagt sie enttäuscht. Inzwischen hat Monika Beier ein Fahrrad ohne Sattel für fünf Euro und einen Kinderroller für einen Euro verkauft. Ein Mann erhält bei fünf Euro für ein angerostetes Rad den Zuschlag. „Gott sei Dank“ ruft er. „Da müssen sie wohl nicht nach Hause laufen“, scherzt die Auktionatorin. Ines Hinz, ein symphatische Frau, bietet erstmals mit, für ein Fahrrad ohne Besonderheiten – wenn man von der Tatsachen absieht, dass es noch funktionstüchtig ist. „Zwei Euro“ sagt sie. Nummer 524 muss nun nicht mehr mit der grünen Karte winken, es reicht ein kurzes Nicken hin zu Monika Beier. Also nickt er. „Fünf Euro“, quittiert die Versteigerungschefin und sieht hinüber zu Ines Hinz. „Sieben Euro“ bietet sie auf. Monika Beier wartet auf das Nicken. Doch der junge Mann mit der Nummer 524 nickt nicht. „Zum ersten, zum zweiten und zum dritten“ und Ines Hinz hat das Fahrrad. Sie braucht es für den Arbeitsweg zum Bahnhof. Ihr Vorgängerrad wurde dort gestohlen. Ihr Kontrahent hätte doch spielend verdoppeln können. Hat er ihr den Sieg und das Rad vielleicht gegönnt und ist absichtlich schon bei der geringen Summe ausgestiegen? „Ja, ich hatte auch so das Gefühl“, sagt Ines Hinz und lacht froh.
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