SERIE: Darwins Gärten Inzucht mit Folgen
Darwins Experimente mit der Purpur-Prunkwinde
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Im gegenwärtigen Darwin-Jahr erläutern Biologen des Botanischen Gartens der Universität Potsdam in den PNN die Evolutionstheorie und weitere grundlegende Beiträge Darwins zur modernen Biologie am Beispiel der Pflanzen.
Charles Darwin war in vielerlei Hinsicht ein produktiver Mann. Er schrieb 16 zum Teil mehrbändige Werke, von denen eines unsere Weltsicht veränderte wie kaum ein anderes; er vermehrte das von Vater und Schwiegervater ererbte Familienvermögen beträchtlich; und er hatte mit seiner Frau Emma zehn Kinder. Was die Kinder anbetraf, war er allerdings in ständiger Sorge, denn Emma war seine Kusine, und er fürchtete nachteilige Folgen dieser engen Verbindung – umso mehr, als dies nicht die erste Kusinenheirat im Familienstammbaum war.
Er sah seine Sorge auf bestürzende Weise bestätigt, als seine Lieblingstochter Anne mit zehn Jahren starb. Sein scharfer Blick als Sohn eines Arztes und Wissenschaftler zeigte ihm auch bei seinen übrigen Kindern gesundheitliche Schwächen; zwei weitere starben als Baby beziehungsweise Kleinkind, und eines von diesen war darüber hinaus geistig behindert.
Durch diese Befunde alarmiert und durch eine zufällige Beobachtung weiter motiviert, gab Darwin die Antwort eines Wissenschaftlers: Experimente. In seinem Gewächshaus kreuzte er zehn Jahre lang systematisch zahlreiche Pflanzenarten, um die Fitness der Nachkommen von Inzucht und Auskreuzung zu vergleichen. Die Purpur-Prunkwinde (Ipomoea purpurea) beispielsweise zeigte bei Inzucht eine um rund ein Viertel geringere Wuchsleistung, und dies überraschenderweise bereits ab der ersten Generation.
Damit hatte Darwin den ersten Beleg für ein Phänomen erbracht, das heute Inzuchtdepression genannt wird. Da aber die wenige Jahre zuvor publizierten Forschungsergebnisse eines gewissen böhmischen Mönchs namens Gregor Mendel nicht zu seiner Kenntnis gelangten, hatte er keine Erklärung für das verminderte Wachstum. Heute ist klar, dass Inzucht innerhalb weniger Generationen zu reinerbigen Nachkommen führt, bei denen sich nachteilige Genkombinationen erheblich stärker ausprägen als bei mischerbigen Exemplaren.
Mendels spektakuläre Resultate wurden übrigens von der gesamten damaligen wissenschaftlichen Welt übersehen. Erst 1900 wurden sie als „Mendelsche Gesetze“ wiederentdeckt. Heute bilden sie, zusammen mir Darwins Evolutionstheorie, die Basis der Evolutionswissenschaft. Michael Burkart
Darwins Arbeiten mit der Purpur-Prunkwinde sind Teil der Ausstellung „Darwins Garten – Evolution entdecken“, die am Freitag, 5. Juni, um 18 Uhr im Botanischen Garten der Universität Potsdam eröffnet wird (bis 4. Oktober).
Michael Burkart
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