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Druck aufbauen. Seit vier Wochen halten Studierende der Universität Potsdam den größten Hörsaal der Hochschule besetzt. Mittlerweile haben sie sich im Audimax häuslich eingerichtet und wollen mindestens noch bis Weihnachten bleiben.

© Andreas Klaer (2), Manfred Thomas

Homepage: „Das Audimax als zweites Zuhause“

Uni-Besetzerin Katja Klebig über Zähneputzen im Hörsaal, Leistungsdruck und ihre Motive für den Protest

Stand:

Frau Klebig, sie besetzen jetzt schon seit vier Wochen mit Kommilitonen das Audimax der Universität Potsdam, haben Sie viel vom Semester verpasst?

Im Gegenteil, für mich war es ein sehr intensives Semester. Ich besuche nach wie vor meine Seminare, die Lehre soll ja nicht blockiert werden. Mein Tag ist sogar noch länger geworden, in den Abendstunden finden bei uns oft mehrstündige Diskussionen über die Zukunft von Bildung statt. Mittlerweile ist das Audimax mein zweites Zuhause geworden.

Tag und Nacht im Hörsaal klingt unvorstellbar

In der Anfangszeit wurden wir von den Dozierenden schon komisch beäugt, wenn wir mit Zahnbürste und Handtuch durch die Gegend gelaufen sind. Inzwischen stört das gar nicht mehr, die meisten verstehen unsere Lage. Die Physiker haben uns sogar Induktionsplatten zum Kochen mitgebracht. Duschen kann man hier natürlich auch, bei den Sportwissenschaftlern oder in den Studentenwohnheimen. Seit ich meine Matratze hergeholt habe, schläft es sich viel besser. Es gibt hier aber auch eine gewisse Herzlichkeit zwischen den Menschen, die immer wieder motiviert, mit wenig Schlaf auszukommen.

Viele Studierende sind gegen eine Besetzung. Woran liegt das?

Natürlich ist es ärgerlich, dass es in dem Ersatzzelt für das Audimax kalt ist, die Akustik schlecht ist und es keine Tische gibt. Aus dem Grund haben wir die Dozierenden ausdrücklich aufgefordert, Vorlesungen wieder im Audimax abzuhalten. Die Stühle können wir aber nicht wieder einbauen, wir brauchen den Raum einfach als unser Druckmittel. Ich glaube jedoch nicht, dass so viele wirklich gegen die Besetzung sind.

Das Audimax ist aber meistens recht leer.

Das stimmt so nicht. Täglich kommen neue Menschen zu uns, und ich glaube vor Weihnachten wird noch mal eine neue Welle kommen. Manche kommen ins Audimax um hier ihre Hausaufgaben zu machen, außerdem haben Schüler angefragt, ob sie unsere Gemeinschaftsräume nutzen dürfen. Wir sind stolz darauf, einen großen Raum für Studierende geschaffen zu haben.

Was hat sie dazu bewegt, bei der Besetzung teilzunehmen?

Im Gegensatz zu den jetzigen Studierenden hatte ich in meinem Studium noch mehr Freiheiten, meine Zukunft zu bestimmen. Ich setze mich für die nächste Generation ein, damit sie die gleichen Möglichkeiten bekommen, wie ich sie damals hatte. Da ich noch auf Magister studiere, konnte ich zu Beginn meines Studiums erst einmal sechs Fächer belegen, um zu sehen, welches Fach mir wirklich liegt. Einfach nur aus Interesse ein Seminar zu besuchen, das geht heute nicht mehr. Gleich nach der Schule muss die Studienrichtung feststehen, und dann gibt es keine Flexibilität mehr. Deshalb müssen wir auf die Regierung und die Uni-Leitung diesen Druck aufbauen.

Das Audimax wird also noch eine Weile ihr zweites Zuhause bleiben?

Auf jeden Fall wollen wir erst einmal bis Weihnachten bleiben und bis konkrete politische Schritte getan werden. Ich persönlich bleibe, so lange wie ich es mit mir selbst vereinbaren kann. Außerdem hat die Uni-Leitung noch immer keine konkreten Zugeständnisse gemacht. Gesprächsrunden finden zwar statt, aber mit welchem Ergebnis? Der „Runde Tisch“ ist doch nur eine Art Ruhigstellung. Dabei hätte die Uni-Leitung eine einfache Möglichkeit etwas zu verändern, wie beispielsweise die Anwesenheitslisten abzuschaffen. So könnte man das Studium wieder freier gestalten, das würde eine Menge Druck aus den Studienverlaufsplänen nehmen. Immerhin hat sich die Landesregierung mehr auf uns zu bewegt, dort gibt es bereits Einsichten im Hinblick auf Teilzeitstudium und Übergang vom Bachelor zum Master. Das zeigt uns doch, wie man mit einfachen Worten und Mitteln für die eigenen Rechte kämpfen kann.

Das Gespräch führte Susanna Maier

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