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Etikettekurs für Schüler: Eine Schülerin benutzt während eines Benimmkurses im Restaurant Am Pfingstberg in Potsdam ein Besteck, um ein Schweinesteak zu zerkleinern. Der Benimmkurs dauert anderthalb Stunden.

© Dennis Gundlach/ddp

Von Patricia Czarkowski: Das Besteck gehört „auf 5 Uhr“

Schüler lernen bei Etikettekurs richtiges Benehmen – Familien vermitteln seltener gute Manieren

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Es ist nicht einfach, höflich zu niesen. Wer beim Niesen kein Taschentuch benutzt, dabei laute Geräusche von sich gibt oder gar den Ellbogen als Puffer verwendet, verstößt gegen jegliche Benimmregel. Auch Manieren am Tisch, die Wahl der passenden Kleidung zu Festen und ein angemessener Umgang mit den Mitmenschen wollen gelernt sein. Während älteren Generationen Stil und Etikette von Kind auf beigebracht wurden, stellt gutes Benehmen heute viele Jugendliche vor Probleme. Mario Kade, Inhaber des Potsdamer Restaurants „Am Pfingstberg“, bietet daher Etiketteseminare an, um Schüler „kniggefest“ zu machen.

„Meine Damen und Herren“, spricht Kade die rund 30 Achtklässler an, die vor einem fein gedeckten Tisch dem Einführungskurs des Restaurantfachmanns lauschen. „Mit welchen Getränken sollten Sie niemals anstoßen?“, fragt der Benimmlehrer seine Schüler. Fünf bis sechs Finger schnellen in die Höhe. Die Thesen reichen von „mit nicht-alkoholischen Getränken“ bis hin zu „mit riesigen Bierkrügen“. Kade klärt seine Zuhörer auf: „Mit perlenden Getränken wie Sekt oder Champagner sollten Sie nicht anstoßen, da sonst die Kohlensäure aus dem Getränk verloren geht.“ Die Antwort überrascht nicht nur die Schüler, sondern offenbar auch die zwei anwesenden Lehrer, wie den erstaunten Gesichtern zu entnehmen ist.

Den anderthalbstündigen Benimmkurs mit anschließendem Drei-Gänge-Menü bietet Kade seit fast zwei Jahren regelmäßig an. „Eine Lehrerin hat mir damals ihr Leid im Umgang mit ihren Schülern geklagt und mich gefragt, ob ich den Jugendlichen nicht einige Benimmregeln beibringen könnte“, erinnert sich der Restaurantbesitzer. Zusätzlich zu den Seminaren für Schüler bietet er auch Kurse für Erwachsene an. Diese umfassen neben einer Einführung über Tischmanieren und Verhaltensregeln auch eine Weinlehre.

Denn nicht nur das Benehmen von Jugendlichen ist verbesserungsfähig, auch viele Erwachsene weisen Defizite bei gängigen Knigge-Regeln auf, ist Etiketteexperte und Berater Uwe Fenner überzeugt: „Mit dem Erscheinen der 68er waren die bisherigen Benimmformen dahin. Diese Generation hat ihre Kinder weder schlecht noch gut, sondern gar nicht erzogen“, lautet Fenners Diktum. Und die damaligen Kinder und jetzigen Eltern handelten nun ebenso. Früher sei die Familie hingegen eine „Tischgesellschaft“ gewesen. „Am Tisch man hat die Kinder erzogen und ihnen mit Vorbildhaftigkeit ein Beispiel gegeben. In kaum einer Familie gibt es heute noch eine gemeinsame Mahlzeit am Tag“, beklagt Fenner.

Einige Achtklässler, die an Kades Benimmkurs teilnehmen, scheinen diese Annahme zu bestätigen. „Ich werde meinen Eltern das beibringen, was ich heute gelernt habe“, sagt Steffi. Vieles haben die Schüler bei diesem Seminar zum ersten Mal gehört. „Ich wusste zum Beispiel nicht, dass es eine Regel dafür gibt, ob der Mann oder die Frau zuerst den Raum betritt“, gibt Manuel zu, während ein Kellner ihm den Salat serviert. Noch bevor die Schüler mit dem Essen beginnen, warnt der Stilexperte: „Ich werde Euch beim Essen beobachten und schauen, ob ihr das Gelernte richtig umsetzt“.

Nach dem ersten Gang haben fast alle Schüler ihr Besteck auf „5 Uhr“ gelegt, wie es ihnen zuvor beigebracht wurde. Diese Stellung des Bestecks sei das Zeichen für die Kellner, um das Geschirr abzuräumen, sagt Kade. Doch der wertvollste Ratschlag für die Achtklässler ist wohl ein anderer: „Macht Eure Handys beim ersten Date aus, damit ihr dem Gegenüber, ohne abgelenkt zu werden, in die Augen schauen könnt“, weiß der Experte.

Patricia Czarkowski

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