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Von Michael Meyer: Das durchgesägte Fußballtor

„Rasenpapst“ Ulrich Sotscheck verabschiedet sich aus dem Amt

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Potsdams „Rasenpapst“ sagt Tschüss. Potsdams wer? Ulrich Sotscheck lächelt ein wenig müde, wenn man ihm mit dieser Bezeichnung kommt. „Die ist ein bisschen übertrieben“, sagt der Babelsberger, der sich auf Potsdams Sportplätzen auskennt wie kaum ein anderer und heute aus seinem Amt als Arbeitsgruppenleiter für Sportanlagen der Landeshauptstadt ausscheidet. Am Montag ist er 65 geworden, heute verabschiedet er sich in der Waldstadt von seinen langjährigen beruflichen Weggefährten, um ihnen gleichzeitig seinen Amtsnachfolger Raimund Klohss vorzustellen.

Heute dürften auch wieder zahlreiche Geschichten erzählt werden, die Sotscheck erlebt hat. Beispielsweise die Sache mit dem durchgesägten Fußballtor. Als in den 90er Jahren die SG Bornim als damals höchstklassiges Fußballteam der Stadt für ihre Oberliga-Spiele ins Karl- Liebknecht-Stadion umzog, hagelte es nicht nur mündlichen Widerspruch der Babelsberger Fans. Unbekannte schrieben ihren Protest mit Farbe in großen Lettern auf den Rasen „ihres“ Stadions, „und als der Schiedsrichter vor einem Punktspiel wie üblich probeweise an den Tornetzen zuppelte, kippte das Tor auf der Seite zum Babelsberger Park plötzlich an“, erinnert sich Sotscheck. „Jemand hatte einen der Pfosten in 50 Zentimetern Höhe durchgesägt und stehen lassen – so fein und säuberlich, dass man nichts sah. Wir haben schnell ein Stahlband hinten rangeschraubt, und ich habe das ganze Spiel über gebetet, dass es hält.“

Ulrich Sotscheck kann Dutzende solcher Anekdoten zum Besten geben. Schließlich ist er bereits seit 1968 – als er beim damaligen Rat der Stadt Potsdam einen Sportstättenbetrieb aufbaute – dabei. In seinem neuen Amt war der einstige Seesportler und gelernte Handelskaufmann für Sportartikel beispielsweise in die Errichtung der Schwimmhalle Am Brauhausberg involviert, „in die wir wegen der Höhe nur ein Dreimeterbrett bauen konnten“, erzählt der drahtige 1,68-Meter-Mann. „Ein Bürger schrieb uns deshalb, wir könnten zugunsten eines Zehnmeterturms doch in den Brauhausberg hinein bauen“ Sotscheck war beteiligt an der Sanierung des Karl-Liebknecht-Stadions Anfang der 70er Jahre, am Bau des Stern-Sportplatzes in den 80er Jahren und der Wiedererrichtung der Sportanlage in der Templiner Straße nach der Wende. „Als wir Mitte der 90er Jahre den Luftschiffhafen von der Bundeswehr übernahmen und begannen, die Anlage betriebsfähig zu gestalten, gab es für das gesamte Areal nur einen Wasser- und einen Stromzähler. Wir mussten vieles erstmal vom Kopf auf die Füße stellen.“

Sotscheck brachte in den vergangenen 41 Jahren überall in der Stadt seinen Sachverstand ein und machte sich trotzdem Winter für Winter nicht nur Freunde – wenn er witterungsbedingt städtische Fußballplätze sperrte. „Ich habe immer sehr aufmerksam den Wetterbericht verfolgt und dann im Interesse der Rasenplätze entschieden, auch wenn mir mancher Trainer deshalb ganz schön in den Ohren lag“, erinnert er sich.

Denn über Gras weiß Sotscheck, der nach der politischen Wende den Sportstättenbetrieb als Technischer Direktor ins damals neue Sport- und Bäderamt der Stadt überführte und dort Sachgebietsleiter wurde, genau Bescheid. Bis 1989 gehörte er zur Arbeitsgruppe Sportanlagen des Wissenschaftlich-Technischen Zentrums Leipzig, „in dem uns Professoren der Berliner Humboldt-Universität und Doktoren der Uni Leipzig neueste Forschungsergebnisse zur Neuanlage und Pflege des Rasens vermittelten“, erzählt er.

Diese Kenntnisse will Ulrich Sotscheck auch als Rentner weiter beratend zur Verfügung stellen. Er wünscht sich aus eigenem Erleben, „dass der Sport in Potsdam nicht nur als Wirtschaftsfaktor betrachtet wird“. Ansonsten hat er nun mehr Zeit für Ehefrau Gabriele, zu Motorbootfahrten auf der Havel oder zum Schachspielen gegen einen Computer, „gegen den ich nur gewinne, wenn ich unkonventionell und auch bei Blitzschach langsam spiele“. Und der Mann, der bislang aus Neutralitätsgründen keinem Sportverein angehörte, wird Mitglied des SV Babelsberg 03. Er wird weiterhin bei so gut wie jedem Fußballspiel im Karl-Liebknecht-Stadion zugegen sein – in dessen Nähe er geboren wurde und wohnt. Und er wird weiterhin den dortigen Platz fachmännisch beobachten. „Schließlich kenne ich dort jeden Grashalm und Regenwurm“, sagt Potsdams „Rasenpapst.“

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