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Zu vermieten. An der Eingangstür vom „Nowawes“ klebt das Ende.

© M. Thomas

Landeshauptstadt: Das Ende des Babelsberger Wohnzimmers

Kult-Kneipe Nowawes schließt – für immer

Stand:

Am Sonntag war Schluss: Nach dem letzten Skat-Turnier schlossen sich die Türen der Babelsberger Kult-Kneipe Nowawes für immer. Klar, Kneipen schließen, Kneipen eröffnen – aber die Einrichtung in der Großbeerenstraße 5 war keine gewöhnliche Kneipe. Ihr Aus reißt eine klaffende Wunde in die Gasthaus-Kultur Babelsbergs.

Als das Nowawes 2005 eröffnet wurde, war das der Versuch, einen Treffpunkt für die Fanszene des Fußballvereins SV Babelsberg 03 zu errichten, ein Wohnzimmer quasi, in das man auf dem Rückweg vom Stadion stolpern konnte – keine Bar, die sich durch Laufkundschaft über Wasser hielt, sondern die ganz bewusst ein Anker für die Fans sein wollte. Keine ausgefallenen Mahlzeiten, kein überteuertes Bier – hier schlug das Herz am rechten Fleck. Das Nowawes war keine Kneipe, in die man kam, um jemanden kennenzulernen, sondern in die man ging, um die zu treffen, die man bereits kannte.

Und die ihren eigenen Charme hatte: verraucht, die Einrichtung abgewetzt, die Toiletten mit Aufklebern übersät, dunkler als andere Kneipen. Die Musik lief immer unaufdringlich im Hintergrund – manchmal Schlager, manchmal Punkrock, viel öfter noch beides gemischt. Zwei einfache Computer im Raum, an denen man seine Mails checken oder sich im Fan-Forum des Fußballvereins austoben konnte. Und das einzigartigste Kneipenpersonal der Stadt, von den Gästen nur mit Spitznamen gerufen: Ulli, der schon aufmerksam lächelnd neben einem stand, wenn man nur noch einen Schluck Bier im Glas hatte und der das sinkende Schiff schon beizeiten verließ. Dann Mendoza, der ohne ein deutlich artikuliertes „Bitte“ nie ein Bier über den Tresen reichte. Oder Fuchs, der es nicht übers Herz brachte, jemanden nach Hause zu schicken, und geduldig wartete, bis auch der letzte Durst gelöscht war.

Aber so richtig gut besucht war es am Ende auch nicht mehr, eine Handvoll Stammgäste hielt noch die Treue, aber die alten Zeiten schienen vorbei. Am vergangenen Freitag gab es dann die Abschiedsparty – ein Familientreffen in Blauweißbunt, bis auf die Straße standen die Gäste, als hätte Nulldrei gerade ein Flutlicht-Heimspiel gegen Magdeburg gewonnen. Kurz vor Mitternacht kamen zwei Polizisten vorbei und baten höflich darum, wenigstens ein bisschen leiser zu sein – und zogen gleich darauf wieder ab.

Jetzt ist alles vorbei. Da bleibt nur noch Wehmut übrig, viele Geschichten und die Hoffnung, dass sich vielleicht noch jemand mit Herzblut findet, der dafür sorgt, dass in die Räume der Kneipe kein Schnellimbiss oder Hutladen einzieht. Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

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