Landeshauptstadt: Das Gehirn der Energieversorgung in Potsdam
Die Leitwarte im Heizkraftwerk Süd steuert alle Netze, Anlagen und Speicher für Strom, Gas, Fernwärme und Wasser
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Industriegebiet Potsdam-Süd – Das Herz der Energieversorgung in Potsdam schlägt ganz am Ende der Straße „Zum Heizkraftwerk“. Dort, wo die gemächlich fließende Nuthe die Naturlandschaft Drewitzer Nuthewiesen vom Industriegebiet abgrenzt, ragen die drei schlanken Schornsteine des Heizkraftwerk (HKW) Süd in den Himmel. Seit dem 30. Dezember 1995 betreibt die Energie und Wasser Potsdam GmbH (EWP) eine der modernsten Anlagen dieser Art in Europa. Mit umweltschonendem Erdgas erzeugt das HKW, mittels einer Gas- und Turbinentechnologie, rund 90 Prozent des jährlichen Strom- und 85 Prozent des Fernwärmebedarfs der brandenburgischen Landeshauptstadt. Nicht nur das: Wenn man das HKW als das „Herz“ der Potsdamer Energieversorgung bezeichnet, so stellt die dortige „Leit-„ oder „Verbundwarte“ das „Gehirn“ für die Steuerung von Strom, Fernwärme,Trinkwasser und Abwasser dar. Hier laufen alle aktuellen Informationen über Störungen, Wasserdruck oder den Betrieb von Anlagen der EWP zusammen.
Wer als Besucher durch die großflächige Glastür in die Leitwarte tritt, fühlt sich wie auf der „Brücke“ im bekannten „Raumschiff Enterprise“. Farbige Skalen, Diagramme und Tabellen leuchten und blinken von den zentral angebrachten riesigen Videoschirmen herab, auf die alle Arbeitsplätze ausgerichtet sind. Die sieben Schichtarbeiter sitzen auf mehrere Ebenen verteilt an schlangenartig-geschwungenen Tischen, die mit etlichen Flachbildschirmen reihenweise bestückt sind. Denkt man an das Raumschiff Enterprise, dann nimmt der Schichtleiter auf dem obersten Podest wohl die Position von Captain Kirk ein. Links unter ihm steuern zwei Mitarbeiter in „Blaumännern“ das hiesige HKW Süd und das Heizwerk Nord in der Zeppelinstraße. Auf der rechten Seite werden das gesamte Netz für Wasser- und Abwasser, alle Pumpstationen und auch der Betrieb der Klärwerke überwacht. Die Mitte des Raumes teilt auf unterster Ebene eine halbbogenförmige Arbeitsfläche mit der Steuerung für die Fernwärmeversorgung auf der rechten und der für die Stromnetze vom Hoch- bis Mittelspannungsbereich auf der linken Seite. Eine konzentrierte Stille herrscht im Halbdunkel des großen Raumes. Tageslicht dringt nur durch die freie Hälfte der ansonsten mit einer Jalousie verhangenen langen Fensterfront. „Das ist die Kommandobrücke“, sagt Bernd Weißleder, der Leiter des Heizkraftwerkes Süd, „wir nennen die Leitwarte so, weil wir hier eine Kommandosprache verwenden“. Als das Telefon klingelt, wird sofort klar, was gemeint ist: Der Mitarbeiter der Netzleitstelle Strom wiederholt exakt jede Angabe, die ihm ein Kollege von einer Trafostation – irgendwo in der Stadt – ansagt: Ort, Datum, Uhrzeit und Position des Schalters, der betätigt wird. „Diese Angaben werden gleichzeitig in das elektronische Kartenmaterial eingegeben“, erklärt Weißleder, „so dass wir immer auf dem aktuellsten Stand sind“. Rund um die Uhr, in drei Schichtdiensten täglich und 365 Tage im Jahr arbeiten sieben Mitarbeiter in der Leitwarte. Die in einer Schicht arbeitenden Spezialisten können nicht untereinander ausgetauscht werden, das heißt: Der Mitarbeiter der Netzwerkstelle Wasser/Abwasser darf und kann nicht die Aufgaben für Fernwärme übernehmen. „Wer eine Nachtschicht von 22 bis 6 Uhr hinter sich hat, ist deshalb darauf angewiesen, dass seine Ablösung pünktlich erscheint“, so Weißleder. Während der Nachtschicht wird es keinesfalls langweilig. „Dort, wo tagsüber Reparaturen gemacht wurden, oder wo es zu vertragsmäßigen Umstellungen kam, vergleichen wir während der Nacht die Anschlusswerte auf ihre Richtigkeit“, sagt Ralf Luthge von der Netzwerkstelle Fernwärme/Gas. Während dem Tag die Erledigung von aktuellen Störungen, die hier direkt vom EWP-Kunden per Telefon eingehen, vorbehalten bleiben, wird die Nacht für die umfassenden Dokumentationen genutzt. Dazu gehört auch das Protokollieren der Betriebs- und Störprotokolle des Heizkraftwerks. „Wir legen nachts eine große Aufmerksamkeit auf den Betrieb der Anlagen, die dann nicht besetzt sind. Das betrifft vor allem die Wasser- und Klärwerke“, sagt Volker Semmler von der Netzwerkstelle Wasser/Abwasser. Nach Dienstschluss gilt für diesen Bereich ein Bereitschaftsplan, der mit EWP-Personal aber auch mit externen Firmen dann in Aktion tritt,wenn beispielsweise irgendwo eine Straße aufgebaggert werden muss. Die Überwacher aller Potsdamer Wasserkanäle stehen zudem im engen Kontakt mit dem Deutschen Wetterdienst, um für eventuelle Unwetter gewappnet zu sein. „Wenn, wie im August 2002, in kurzer Zeit 56 000 Kubikmeter Regenwasser herabstürzen, kommt es zum Rückstau in einem Netz, das für 9000 Kubikmeter ausgelegt ist“, erklärt Semmler: „Das hat nichts mit historischen Kanälen zu tun“.
Von der Leitstelle aus wird auch der Havariedienst alarmiert, der, auf neuralgische Punkte in der Stadt Potsdam verteilt, dann von seinen Standorten mit Blaulicht zu einem möglichen Leck in einer Gasleitung eilt. Anders als beim Raumschiff Enterprise gibt es in der „Kommandozentrale“ der EWP keine Sirene, die bei Gefahr aufheulen würde. „Hätten wir eine Sirene, dann würden wir hier alle ganz schnell graue Haare bekommen“, sagt der Leiter des HKW Süd. Störungen oder Veränderungen im täglichen Ablauf zeigen sich für alle sichtbar als optische Signale auf den riesigen Videoleinwänden. Einen so genannten „Blackout“, also einen totalen Stromausfall wie vor einigen Wochen, als eine Strompanne in Deutschland halb Europa lahm legte, hat Potsdam bisher noch nicht erleben müssen. Sollte es aber dazu kommen, dann „ist das HKW Süd, inklusive der Leitwarte, der letzte Ort, wo das Licht ausgeht“, sagt Weißleder.
Neben der Steuerung von Strom, Gas, Fernwärme und Wasser haben die Mitarbeiter der Leitstelle noch anderes im Blick. Per Videokamera bekommen sie die Live-Aufnahme der EWP-Verwaltungsgebäude, der Wasserwerke und Trinkwasserspeicher auf die Mattscheibe an ihrem Arbeitsplatz. „Zusätzlich sendet uns ein Bewegungsmelder vor Ort ein optisches Signal, wenn sich betriebsfremde Personen beispielsweise auf dem Gelände des Wasserwerks Ferch befinden“, erklärt Volker Semmler. Seit dem 11. September 2001 wurden auch bei der EWP die Sicherheitsmaßnahmen hinsichtlich möglicher Terroranschläge verstärkt, um Herz und Adern der Energieversorgung in Potsdam zu schützen.
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