Links und rechts der Langen Brücke: Das große Schweigen
Peer Straube fragt sich, wann Oberbürgermeister Jann Jakobs seine Amtsgeschäfte wahrnehmen will
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Noch ist der alte und neue Oberbürgermeister Jann Jakobs gar nicht offiziell in seine zweite Amtszeit eingeführt worden, doch schon reibt man sich verwundert die Augen, welche Prioritäten der Sozialdemokrat Jann Jakobs derzeit setzt. Da kommt nach Jahren plötzlich ein Großinvestor für die Gewerbebrache im Kirchsteigfeld – die Anwohner sind entsetzt, in der Rathaus-Kooperation brodelt es. Jakobs überlässt die Diskussion sich selbst. Da endet die erste Ausschreibungsphase für Potsdams eigene Grundstücke an der Alten Fahrt, deren Bebauung das Gesicht der Stadt für Generationen prägen soll – der Rathauschef redet in seinem Bericht für die Stadtverordneten lieber über Themen wie den Teilhabeplan oder ein Konzept für Golm. Das soll die Bedeutung dieser Fragen keineswegs schmälern – doch scheint Jakobs derzeit jegliches Gefühl für politische Gewichtung abhanden gekommen zu sein. Noch ein Beispiel gefällig? Der streitbare Baudezernent Matthias Klipp (Bündnisgrüne) tritt – vor den Augen seines Chefs – eine Debatte darüber los, in absehbarer Zeit Kleingärten und Garagen für den Wohnungsbau zu opfern. Vielleicht wird sich diese Diskussion eines Tages tatsächlich nicht vermeiden lassen, doch ist dieser Tag noch sehr, sehr fern. Angesichts des hochsensiblen Themas hätte Jakobs seinem Oberbauleiter in der Stadtverordnetenversammlung bremsen und ein Machtwort sprechen müssen. Er ließ ihn gewähren. Mit der Konsequenz, demnächst aus seinem Bürofenster eine Großdemo aufgebrachter Laubenpieper erleben zu dürfen. In der schicken Berliner Vorstadt werden derweil die nächsten Barrikaden gestürmt. Der unerwartet raumgreifende Wiederaufbau der Matrosenstation Kongsnaes hat die Anwohner offenbar ebenso überrascht wie die Landesdenkmalpflege und die Schlösserstiftung. Und Jakobs wohl auch. Vermittelndes oder gar Klärendes war auch hier nicht von ihm zu hören. Das Gleiche gilt für das ehemalige Stasi-Gefängnis in der Lindenstraße. Zum Barockpalais zurücksaniert, seiner vergitterten Fenster und mancher Stahltür im Innern beraubt, verschwand der Knastcharakter. Historiker und Wissenschaftler laufen Sturm – ohne Erfolg. Den vorläufigen Schlusspunkt setzt wiederum Klipp mit seiner fragwürdigen Abschreibungspraxis, die Jakobs „wohlüberlegt“ nennt. Auf den Rathauschef trifft dieses Wort derzeit leider nicht zu.
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