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Landeshauptstadt: Das Herz schlägt in Potsdam

Die Staatskasse im Visier: In der Dortustraße arbeiten 150 Prüfer des Bundesrechnungshofes

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Durchs geöffnete Fenster klingt das Glockenspiel der ehemaligen Garnisonkirche ins Büro in der ersten Etage. „Üb immer Treu und Redlichkeit“ passt ja eigentlich ganz gut – als Arbeitsmotto im Bundesrechnungshof. Aber Andreas Rahm winkt ab. Das Läuten höre er schon gar nicht mehr, sagt der Leiter der Außenstelle des Bundesrechnungshofes (BRH) in der Dortustraße: „Das ist, wie wenn Sie neben der S-Bahn wohnen." Nur der eine oder andere Anrufer wundert sich über die Mozart-Melodie im Hintergrund, erzählt der gelernte Jurist und wirkt dabei so nüchtern, wie man sich einen Rechnungsprüfer vorstellt.

In den langen Fluren des Amtsbaus herrscht an diesem Mittwochvormittag sonntägliche Stille. Zweieinhalb der insgesamt neun Abteilungen des BRH sitzen hier. Von den 150 Prüfern, die hinter verschlossenen Türen arbeiten, ist allerdings nichts zu sehen. Vielleicht arbeiten sie aber auch gar nicht hinter den verschlossenen Türen. Denn Autobahnprojekte oder die Maßnahmen zum Reaktorschutz kann man nicht nur vom Schreibtisch aus untersuchen: 60 Tage pro Jahr ist jeder Mitarbeiter deshalb unterwegs und betreibt „örtliche Erhebungen“, wie es im Amtsdeutsch heißt: Sie gehen zum Beispiel auf Baustellen und kontrollieren den Baufortschritt oder sehen sich an, wie die Arbeitsagenturen in verschiedenen Städten Hartz IV handhaben. „Wir sind eine Reisebehörde“, erklärt Rahm: „Insofern ist ein typisches Büro ein leer stehendes Büro.“

Der typische Prüfer zeichne sich vor allem durch „Beharrungsvermögen“ und „Jagdinstinkt“ aus, weiß Rahm. Gemeint ist so etwas wie der Ehrgeiz, eine bessere Lösung zu finden: Mindestens zwei Milliarden Euro pro Jahr spare der Bund mit der Umsetzung der Vorschläge des BRH – eine eher „konservative“ Schätzung, betont Rahm. Im Augenblick überprüfe seine Abteilung, die für alle Bauprojekte des Bundes zuständig ist, zwei Gebäude: Er habe da Einsparungen in Höhe von 60 Millionen Euro „im Feuer“, erklärt er mit verschwörerischer Stimme.

Der richtige Riecher allein reicht allerdings nicht aus: „Sie müssen auch gut schreiben können“, sagt Rahm: „Unsere Waffe ist ja letztendlich das Geschriebene.“ Denn es gibt kein Gesetz, dass irgendjemanden dazu verpflichtet, die Vorschläge der Prüfer umzusetzen. Deshalb komme es besonders auf die überzeugende Darstellung der Ergebnisse an. Damit kann man zum Beispiel den Haushaltsausschuss des Bundestages überzeugen. „Unser wichtigster Ansprechpartner“, erklärt Rahm: Denn die Parlamentarier können im Notfall den Geldhahn für unwirtschaftliche Projekte abdrehen.

1998 ist die Außenstelle der Behörde allerdings aus Berlin nach Potsdam gezogen. „Für viele Kollegen eine harte Entscheidung“, erinnert sich Rahm. Der Hausherr selbst pendelt immer noch von Berlin - aber immer mehr Prüfer wohnen auch in Potsdam. Dass die Landeshauptstadt die passende Wahl war, davon scheint Rahm überzeugt - und lässt sich plötzlich sogar zu einem Bekenntnis hinreißen: In Bonn, sagt er, hat der Bundesrechnungshof zwar seinen Hauptsitz: „Aber das Herz der Rechnungsprüfung schlägt in Potsdam.“

Denn das Haus, in dem er sein Büro hat, ist ursprünglich sogar für die Vorgängerbehörde des Bundesrechnungshofes erbaut worden. Seit 1818 saß die preußische „General-Rechen-Kammer“ in Potsdam: Zunächst im Brockschen Haus in der Yorckstraße, wie Rahm erzählt. 1907 zogen seine Amtsvorgänger dann in das Haus um, in dem er jetzt wieder sitzt. Damals war es ein Neubau – vier Jahre Bauzeit. Rahm seufzt kopfschüttelnd: „Eine so lange Bauzeit könnte man sich heute gar nicht mehr leisten.“ Zum hundertjährigen Geburtstag des Hauses, das sich der BRH mit dem Landesrechnungshof teilt, ist – wie könnte es anders sein – keine Feier geplant. Den nächsten Jubiläums-Termin gibt es im Jahr 2014: Dann feiert der Bundesrechnungshof 300-jähriges Jubiläum. Rahm lächelt. Durchs geöffnete Fenster klingt das Glockenspiel der ehemaligen Garnisonkirche.

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