zum Hauptinhalt

Potsdam: „Das ist ein häufig erhobener Vorwurf“

Das neue Bürgerbeteiligungsbüro: Betreiber Daniel Zeller spricht über die Chancen – und die Risiken

Stand:

Herr Zeller, Sie sind ab Freitag mitverantwortlich für das Bürgerbeteiligungsbüro der Stadt. Wenn Potsdamer jetzt eine Bürgerinitiative gründen wollen, weil in ihrem Viertel zu wenig Schulen sind oder sie ein Bauvorhaben verhindern wollen – wie können Sie ihnen helfen?

Wir werden die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger wahr- und ernst nehmen. Für uns sind sie Experten vor Ort, mit denen wir zunächst ihre konkrete Situation erforschen. Welche Hilfestellung möchten sie, welche Informationen brauchen sie, innerhalb welcher gesetzlicher Vorgaben und Gestaltungsspielräume bewegen sie sich mit ihrem Thema? Wenn gewünscht, entwickeln wir gemeinsam eine Struktur für ihre Initiative, sodass sie die bestmögliche Wirksamkeit entfalten kann.

Um welche Fragen geht es zum Beispiel?

Wo und wann gibt es welche Beteiligungsmöglichkeiten in der Stadt und wie sehen diese Verfahren genau aus? Wie nutzen sie diese am besten? Zudem recherchieren wir die wichtigen Informationen und vermitteln bei Bedarf Ansprechpartner in der Verwaltung, der Politik, der Presse und anderen Vereinen, die sich bereits mit einem ähnlichen Thema beschäftigen. Zudem unterstützen wir dabei, Gelder für Initiativen einzuwerben und vieles andere mehr. Wir werden den Potsdamern viel Zeit, frustrierende Erfahrungen, Geld und Arbeitsaufwand ersparen, sodass sie sich auf die konstruktiven und schönen Teile ihrer Tätigkeit konzentrieren können.

Müssen Sie die Anliegen, die Ihnen vorgetragen werden, neutral behandeln?

Ja. Wir unterstützen strukturell, ohne dabei inhaltlich Position zu beziehen. Das ist der Grundsatz unserer Arbeit, da wir mit allen Beteiligten Gespräche führen – nur so können wir konstruktiv sein und Vertrauen aufbauen.

Es könnte auch Bürger geben, die sich gegen Flüchtlingsheime wehren – wie wollen sie mit derartigen Fällen umgehen?

Es ist unsere Aufgabe, alle Menschen mit ihren Ängsten ernst zu nehmen und zu begleiten – das gilt auch für solche Fälle. Gerade in solchen Situationen wollen wir gern die Chance beim Schopf packen und neue Sichtweisen und Perspektiven für die beteiligten Menschen eröffnen. Wir bewegen uns dabei aber strikt auf dem Boden der Menschenrechtskonventionen, unseres Grundgesetzes und dem Selbstverständnis von Potsdam als weltoffene Stadt. Sollte eine Initiative menschenverachtende Inhalte propagieren, werden wir sie nicht nur nicht unterstützen, sondern strafrechtlich relevante Inhalte zur Anzeige bringen.

Wenn eine Bürgerinitiative mit ihrem Anliegen keinen Erfolg hat - möglicherweise kommen dann Vorwürfe, ihr Büro sei nur ein Feigenblatt der Stadtverwaltung, die Bürgerbeteiligung vorgaukeln soll

Das ist ein häufig erhobener Vorwurf, der leider oft genug auch stimmt. Wenn wir merken, dass wir als Feigenblatt instrumentalisiert werden, beenden wir das Projekt selbst. Allerdings wird wohl kaum jedes Beteiligungsprojekt zu dem gewünschten Erfolg führen – das aber heißt nicht gleich, dass Beteiligung nur vorgegaukelt wird. Wir sprechen hier über zum Teil komplexe und langwierige Vorgänge, die oft von vielen Missverständnissen, unterschiedlichen Erfahrungshorizonten und schließlich Kompromissen geprägt sind. Wenn sich im Verlauf eines solchen Projekts die Beteiligten näher gekommen sind, etwas voneinander gelernt haben und in Zukunft besser kooperieren können, ist das schon ein großer Erfolg.

Was erwarten Sie von der Potsdamer Stadtverwaltung?

Wichtig ist natürlich, dass wir uns als gleichberechtigte Partner verstehen. Entscheidend ist – neben einem guten Zusammenwirken auf der Sachebene – die entschlossene und rückhaltlose Unterstützung durch die Leitungsebene der Verwaltung. Wir werden sehen, wie sich das entwickelt.

Welche Ziele haben Sie sich neben der Beratungsarbeit gesetzt?

Es ist uns wichtig, gerade Menschen zu erreichen, die bisher mit Beteiligungsprozessen nicht so viel anfangen können und sich da raushalten. Dazu müssen wir auch die gängigen Konventionen von Beteiligung infrage stellen.

Daniel Zeller, 39, ist Geschäftsführer des Stadtteilnetzwerks Potsdam-West e.V., einer der Betreiber des neuen Büros für Bürgerbeteiligung. Mit ihm sprach Henri

Kramer.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })