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Starker Rücken. Auch Spitzensportler müssen ihren Rücken trainieren.

© dpa

Homepage: Das Kreuz mit dem Kreuz

Potsdamer Sportmediziner untersuchen, welche Therapien gegen Rückenschmerzen helfen. Nationales Forschungsnetzwerk gestartet

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Es ist die Volkskrankheit Nummer eins. Rückenschmerzen kennt fast jeder. Ob Hexenschuss, Bandscheibenvorfall oder Muskelverspannungen – bei neun von zehn Menschen meldet sich der Rücken im Laufe des Lebens mit Schmerzen. Längst sind Rückenbeschwerden der häufigste Grund für Krankschreibungen. Die Ursachen liegen in unserem Lebensstil. Zu langes Sitzen, zu wenig und zu monotone Bewegung, Stress. Bandscheiben, Gelenke und Muskeln werden einseitig belastet, während andere Muskeln kaum noch zum Einsatz kommen und verkümmern. Die Folge: Das feine Zusammenspiel von Wirbeln, Muskeln, Sehnen und Nerven funktioniert nicht mehr reibungslos, der Rücken schmerzt.

Doch auch Menschen, die sich viel bewegen, sind vor Rückenproblemen nicht gefeit. Zwar ist das Risiko, an Rückenbeschwerden zu erkranken, für Sportler geringer als für den Normalbürger. Doch bei immerhin 70 Prozent der Athleten treten früher oder später Beschwerden im Kreuz auf, erklärt Frank Mayer, Professor für Sportmedizin und Sportorthopädie der Universität Potsdam und Ärztlicher Direktor der Hochschulambulanz. „Ein Sportler kann Rückenschmerzen bekommen, genauso wie ein untrainierter Mensch“, so Mayer. Sportler hätten mehr Muskeln, die den Rücken stabilisierten, zugleich sei aber die Belastung, die der Rücken aushalten müsse, höher. „Bei einem Ruderer ist die Belastung eine andere als bei einem Gewichtheber“, erklärt der Sportmediziner. Die Beschwerdebilder seien dementsprechend zwar unterschiedlich, aber in der Gesamtbevölkerung genauso wie im Spitzensport zu finden.

Mit Diagnose, Vorbeugung und Therapie von Rückenschmerzen wird sich die Arbeitsgruppe der Uni Potsdam um Frank Mayer in den nächsten drei Jahren intensiv beschäftigen. Mayer ist Leiter des Projekts MiSpEx (Medicine in Spine Exercise), das Sportmediziner der Universität Potsdam gemeinsam mit Medizinern, Sportwissenschaftlern, Ingenieuren, Soziologen und Psychologen aus Berlin, Heidelberg, Dresden, München, Hamburg und Frankfurt/Main ins Leben gerufen haben. Eine weitere Kooperation besteht mit der Universität Bochum. Das interdisziplinäres Forschungsprojekt zu Rückenschmerzen startete am Dienstag dieser Woche. Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft finanziert das mindestens dreieinhalb Jahre laufende Projekt mit fünf Millionen Euro. Ziel des nationalen Forschungsnetzwerks ist es, neue Methoden zur Milderung von Rückenschmerzen zu entwickeln.

Der Fokus des Forschungsprojekts liegt auf den chronischen unspezifischen Rückenschmerzen. „Chronisch unspezifisch bedeutet, hinter den Beschwerden stecken keine strukturellen Störungen. Man hat Rückenschmerzen ohne Bandscheibenvorfall und ohne kaputte Wirbelsäule“, so Mayer. Diese Form der Rückenschmerzen ist weit verbreitet, sowohl unter Sportlern als auch in der Gesamtbevölkerung. Die Ursachen liegen oft im gestörten Zusammenspiel zwischen Muskeln und Nerven.

„Das effektivste bei Rückenschmerzen ist Bewegung“, sagt Mayer. Die gute Nachricht für Sportmuffel: Bei einem Untrainierten zeigt die körperliche Aktivität schneller Wirkung als bei einem Sportler. Jedoch welche Art von körperlicher Aktivität in welcher Dosierung tatsächlich wirksam ist, sei noch ungenügend erforscht, so der Mediziner. Hier setzt das Projekt an, das in zwei großen Studien mehr als 2000 Probanden – mit und ohne Beschwerden – drei Jahre beobachtet und untersucht. Auch die Bundesluftwaffe beteiligt sich an dem Projekt, denn die Lendenwirbelsäule ihrer Piloten unterliegt enormen Belastungen. Die Forscher wollen auch herausfinden, ob Sportler und Untrainierte unterschiedliche Bewegungstherapien benötigen. In weiteren 15 kleineren Studien widmen sich die Wissenschaftler spezifischen Fragestellungen, wie etwa dem Einfluss psychosozialer Faktoren.

Auch in der medizinischen Diagnostik von Rückenschmerzen wollen die Forscher neue Impulse setzen und die herkömmlichen Verfahren, wie Röntgen- oder MRT-Untersuchungen, durch neue diagnostische Kriterien ergänzen. „Im Idealfall sieht es so aus, dass man den Patienten untersucht, eine Funktionsdiagnostik durchführt und anhand dieser ableiten kann, welches Training der Patient benötigt“, erklärt Mayer. Ob für das Vorbeugen von Rückenschmerzen andere Übungen nötig sind als für die Behandlung bei bestehenden Beschwerden, werde man dabei genauso untersuchen, wie den Einfluss der körperlichen Fitness.

Neben den Bewegungs-, Funktions- und Kraftanalysen der Wirbelsäule werden auch Blut und Haare der Probanden unter die Lupe genommen. Die Analyse der Hormone, die sich in ihnen finden lassen, gibt Aufschluss über die Stressbelastung. „Man weiß heute sehr gut, dass das Schmerzempfinden bei Rückenbeschwerden stark vom Stresslevel abhängt“, erklärt Mayer. Man wolle daher in Kooperation mit der Sport- und Gesundheitssoziologie der Universität Potsdam und weiteren Forschergruppen auch untersuchen, wie sich Stress auf die Wirksamkeit körperlicher Aktivität auswirke.

Heike Kampe

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