Das Winterwetter und seine Folgen: Das lange Warten auf den Frühling
Dieser Winter dürfte teuer werden – die Bauern fürchten um ihre Ernte, Baustellen liegen auf Eis, die Step muss Räumtechnik ersetzen und Baumärkte mussten Vogelfutter nachbestellen
- Katharina Wiechers
- Peer Straube
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Die Vögel zwitschern, die Sonne scheint und die Tage werden merklich länger. Doch angesichts eisiger Temperaturen kommen Frühlingsgefühle nur langsam auf. Zwar ist hin und wieder ein wenig Schnee im März nichts Ungewöhnliches, wie die Daten der Säkularstation auf dem Telegrafenberg zeigen. Doch dass Ende des Monats noch viel liegt, ist in Potsdam seit 1893 erst fünfmal vorgekommen. Die ganze Stadt wartet darauf, dass die Temperaturen steigen. Welche Folgen der Winter für Potsdam hat, zeigen die PNN im Überblick.
KRANKENHÄUSER
Die Potsdamer Krankenhäuser merken den anhaltenden Winter an der nicht abreißenden Zahl von Menschen, die wegen Glätteunfällen in die Notaufnahme kommen. Handgelenksbrüche, Sprunggelenkdistorsionen, Hüft-, Becken- und Rückenprellungen sind an der Tagesordnung, wie der leitende unfallchirurgische Oberarzt im St.-Josefs-Krankenhaus, Winfried Ryzlewicz, sagt. Allein am vergangenen Wochenende wurden 15 Patienten in die Notaufnahme eingeliefert, die glättebedingte Unfälle hatten. Ähnlich ist die Situation in der Notaufnahme des städtischen Bergmann-Klinikums. „Die Zahl der Patienten, die wegen der Glätte stürzen, ist deutlich höher als sonst“, sagt Kliniksprecherin Damaris Hunsmann. Genaue Zahlen kann sie nicht nennen, aber den Ärzten zufolge seien es eindeutig mehr als 2011. 2010 sei es aber noch schlimmer gewesen.
LANDWIRTSCHAFT
Die Obstbauern sitzen auf glühenden Kohlen. Im vergangenen Jahr um diese Zeit wurde schon seit drei Wochen gearbeitet – Zeit, die den Pflanzen dieses Jahr bei ihrer Entwicklung fehlt. Dies kann durchaus zu Einbußen führen, sagt Landwirt Ernst Ruden aus Krampnitz. Ideal wäre eine langsame Temperatursteigerung, damit die Pflanzen nicht auf einmal in den Himmel schießen. „Wenn es auf einen Schlag warm und trocken wird, können sie nicht genügend Blattmasse bilden“, erklärt er. Erfrierungen gebe es noch nicht, der Acker sei durch die Schneedecke geschützt. Gleiches berichtet auch Ulrich Bisswanger vom Obstgut Marquardt. Dort werden Äpfel, Kirschen und Erdbeeren angebaut. Die Bäume hätten noch nicht getrieben und die Erdbeeren lägen gut eingepackt unter dem Schnee. Weniger optimistisch ist Gerhard Neumann, der das Obstgut „Neumanns Erntegarten“ betreibt. Er rechnet damit, dass ihm etwa 15 Prozent des Gesamtertrags wegbrechen. „So einen extrem kalten März habe ich mein Leben lang noch nicht erlebt.“ Die Frostnächte hätten die Triebe der Aprikosen und Pfirsiche kaputt gemacht, wahrscheinlich auch die Brombeeren sowie einige Wein- und Süßkirsch-Sorten. „Da haben wir mit der Ernte keine Arbeit“, sagt Neumann sarkastisch. Einzig den Äpfeln mache die Kälte um diese Jahreszeit nichts aus.
BAUSTELLEN
Auf praktisch allen Tiefbaustellen ruht wegen der Kälte die Arbeit. Allein die städtische Baugesellschaft Pro Potsdam nennt sieben Brennpunkte: Der Ausbau der Nedlitzer Straße liegt buchstäblich ebenso auf Eis wie die Erschließung des Campus Jungfernsee, die Sanierung der Breiten Straße und die Gestaltung des Platzes um das Landtagsschloss. Die Wohnungsbauprojekte in der Forststraße und in der Friedhofsgasse sind ebenfalls in der Warteschleife. Am härtesten trifft es die Händler in der Charlottenstraße, die nach dem Ende der Frostperiode noch acht Wochen eine Baustelle vor der Tür haben. Die Straßenbauarbeiten an der Nuthe-, der Friedrich-Ebert- und der Kunersdorfer Straße ruhen, desgleichen in der Geschwister-Scholl-Straße, der Reiherbergstraße, der Heinrich-Mann- Allee, am Horstweg, um nur einige städtische Baustellen zu nennen. Es droht ein Bauverzug von drei Monaten.
GEFAHR DURCH EIS UND SCHNEE
Mitarbeiter des Ordnungsamtes kontrollieren nach Aussage der Stadt täglich, ob die Hauseigentümer ihrer Verpflichtung nachkommen, Eiszapfen und Schneebretter von den Dächern zu entfernen. Bislang seien in drei Fällen Absperrungen des Gehwegs veranlasst worden, in 20 Fällen wurden die Eigentümer nachdrücklich auf die Erfüllung ihrer Pflicht hingewiesen. Bei der Pro Potsdam sollen die Hausmeister täglich bis elf Uhr ihre Objekte überprüft haben und gegebenenfalls die Beseitigung von Eis und Schnee von den Dächern anordnen.
WINTERDIENST
127-mal musste das Ordnungsamt bislang Verstöße gegen die Räumpflicht auf den Gehwegen ahnden. Auch die Mitarbeiter der Stadtentsorgung (Step) hält der Winter auf Trab. Das Managementsystem habe indes gut funktioniert, so Step-Sprecher Stefan Klotz. Auch habe jederzeit ausreichend Streusalz zur Verfügung gestanden. An der Technik hat die Frostperiode aber Spuren hinterlassen. Sowohl Räumtechnik – Schilde – als auch einige ältere Fahrzeuge müssten ersetzt werden, so Klotz. Welche finanziellen Auswirkungen der Winter auf die Step und den Verkehrsbetrieb hat, könne noch nicht beziffert werden. Auch die Stadt erfährt erst nach der Abrechnung der letzten Winterdienstleistungen, ob und wie viel sie in diesem Jahr mehr zahlen muss.
BAUMÄRKTE
Bei den Potsdamer Baumärkten macht sich der lange Winter ebenfalls bemerkbar. Während sich kaum einer für Frühlingsblüher und Gartengeräte interessiert, ist der Run auf Streusalz und Schneeschieber ungebrochen, sagt der Leiter des Hellweg-Baumarkts, Reiner Barz. Auch Vogelfutter laufe noch gut und musste sogar nachbestellt werden. Bei Toom in Babelsberg sind zwar Schneeschieber und Streusalz ebenfalls noch im Sortiment, die Nachfrage sei aber nicht mehr groß, so Sprecherin Daria Ezazi. Das Geschäft mit den Blumen laufe ebenfalls noch nicht wirklich an, die Mitarbeiter hätten daher weniger bestellt als sonst im März. Bei Hornbach in Marquardt wartet man ebenfalls ungeduldig auf den Frühlingsbeginn. „Die Gartenmöbel und Grillutensilien stehen bereit, im Gartencenter warten die Frühblüher, aber der überdurchschnittlich kalte März macht uns einen Strich durch die Rechnung“, sagt Sprecherin Ursula Dauth.
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