
© A. Klaer
100-Jährige in Potsdam: Das Leben genießen
100-Jährige trafen sich auf Einladung von „Selbstbewusst altern in Europa“. Sie alle brachten ihre Geschichten mit.
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Sie ist eine der wenigen, die sich beim Treffen der 100-Jährigen selbst vorstellen. „Ich bin zeitig ins ,Josephinenheim’ umgezogen, vor acht Jahren, als ich mich noch bewegen konnte.“ Hildegard Engelhart blickt am vordersten Tisch wach in die Runde: „Ich habe damals ganz Potsdam erkundet und wusste teilweise gar nicht mehr, wo ich bin“, erzählt die 99-Jährige – und sagt, als viele lachen: „Man kann ja fragen.“
Rund ein Dutzend Senioren im Alter zwischen 98 und 101 Jahren waren der Einladung des Vereins „Selbstbewusst altern in Europa“ in die Seniorenresidenz Sanssouci gefolgt, um am „Tag der älteren Generation“ bei Sekt und Kuchen einer Mundharmonika-Gruppe zu lauschen und eine Modenschau einfallsreicher Hüte zu bewundern. Die Hälfte der Frauen – unter ihnen war nur ein Mann – sitzt im Rollstuhl. Eine 1916 Geborene wird als frühere Lageristin vorgestellt, ihre Tischnachbarin, zwei Jahre älter, als Landwirtin und spätere Straßenbahnschaffnerin. Eine 98-Jährige erzählt, sie lebe noch allein in ihrer wunderschönen Wohnung an der Havelbucht: „Ich mache alles selbst“, sagt die Weißhaarige mit türkiser Bluse, Goldkette und -brosche, der man ihr Alter kaum abnimmt. „Sie alle bringen Geschichte mit“, betont die Einrichtungsleiterin Maritta Melcher: „Hut ab.“ Wie findet sie das hohe Alter? „Es ist alles abgeschlossen“, sagt Hildegard Engelhart. Am 10. Dezember wird sie 100: „Wenn der Nobelpreis verliehen wird“, erklärt die Seniorin, die zehn Urenkel hat – zwei davon wurden gerade erst im August geboren. „Die sehe ich an meinem Geburtstag. Das soll ein großes Fest werden. Meine Freunde und Bekannten warten schon darauf.“
Die alte Dame sei schon eine Ausnahme, sagt Gabriele Kunkel, die neben ihr sitzt und ihr den Arm um die Schulter legt. „Bis vor Kurzem hat sie noch am Sport teilgenommen – im Sitzen. Und am Kegeln“, erzählt die Sozialarbeiterin von der „Josephinen“-Wohnanlage nahe der Freundschaftsinsel. Der Altersdurchschnitt liege bei 85 Jahren, viele Mieter seien weit über 90. „Ich habe hier meine eigene Wohnung“, zeigt Engelhart sich zufrieden, „da kann ich die Tür zumachen, wenn es mir passt.“ Oder vorlaufen zur Insel, mit Gehstock oder Rollator.
„Man soll das Leben genießen“, glaubt die alte Dame fest. Um sie herum wird die Stimmung ausgelassen. Ihre Altersgenossinnen probieren die Hüte der Modenschau aus, roter Samt auf weißem Haar, breitkrempige Modelle schräg auf dem Kopf. Da bleibt Hildegard Engelhart doch lieber ruhig sitzen. Isabel Fannrich-Lautenschläger
Isabel Fannrich-Lautenschläger
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