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Homepage: Das Lebensprojekt Kind

FH-Professorin forscht über entspannte Elternschaft

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Eine Mutter wird in die Schule gebeten und fällt aus allen Wolken: Ihre Tochter wird von der Klasse gemobbt, hatte zu Hause aber nichts erzählt. Am Nachmittag entwirft die ebenso besorgte wie empörte Mutter sofort Handlungsstrategien: „Das darfst du dir nicht gefallen lassen. Du musst dich ganz anders verhalten. Am besten machst du einen Selbstverteidigungskurs.“ In bester Absicht setzt sie ihr Kind zusätzlich unter Druck, sagt Alexandra Schmidt-Wenzel. Vielleicht ein Grund dafür, dass die Tochter nichts erzählt hat? An Fallbeispielen wie diesem stellte die Erziehungswissenschaftlerin kürzlich ihr Forschungsfeld in der Reihe „Potsdamer Köpfe im Kiez“ vor, die der Verein proWissen organisiert.

Warum Eltern auf eine bestimmte Art handeln und wie sie herausfinden, was richtig oder falsch ist, interessiert Schmidt-Wenzel seit Jahren. Mit einer empirischen Studie zum innerfamilialen Kompetenzerwerb promovierte sie 2007 an der Technischen Universität Berlin. Inzwischen ist sie Professorin für Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt „Pädagogik der Lebensalter“ an der Fachhochschule Potsdam. „Eltern sollen heutzutage Experten für Bildung, Erziehung und Gesundheit sein. Wie können sie es schaffen, trotz dieser hohen Anforderungen nicht in einem Dauer-Spannungszustand zu sein?“, fragt Schmidt-Wenzel. In ihrer Studie, für die sie Mütter und Väter aus 20 verschiedenen Familien befragte, kam sie zu dem Ergebnis, dass Eltern interaktiv durch das Kind lernen. Voraussetzung dafür sei, dass sie sich mit dem Kind identifizierten, es als „Lebensprojekt“ ansähen. Die Rückmeldungen des Kindes dienten ihnen als Gradmesser ihres Handelns.

Die befragten Mütter und Väter hatten Kinder zwischen sechs Monaten und 16 Jahren. Die Familienmodelle reichten von der alleinerziehenden Mutter oder dem getrennt lebenden Vater über die Patchwork-Familie bis zur klassischen Mutter-Vater-Kind-Familie.

Abhängig von dem Bild, das Eltern von ihrem Kind und von sich selbst haben, gibt es laut Schmidt-Wenzel zwei grundsätzliche Handlungsmuster: Die sogenannten expansiven Lerner begleiten und unterstützen ihr Kind ohne vorab definierte Zielsetzungen. Sie orientieren sich an den kindlichen Lern- und Lebensinteressen. Dem stehen die defensiven Lerner gegenüber, die einen breiten Anforderungskatalog für ihr Kind bereithalten. Sie gehen davon aus, dass Kinder kontinuierliche Führung und Anleitung benötigen, um sich den elterlichen Vorstellungen entsprechend entwickeln zu können.

„Expansive Lerner haben größere Chancen, entspannte Eltern zu sein“, glaubt Schmidt-Wenzel. Da sie sich bewusst am kindlichen Lernimpuls orientieren und eigenes  Verhalten eher hinterfragen, erhielten sie ein zunehmend stabiles elterliches Selbstwertgefühl. Defensive Lerner passen sich oft gesellschaftlich an und hinterfragen selten ihre Haltung. „Die Frage, was die anderen denken, wenn mein Kind sich im Supermarkt auf dem Boden wälzt, setzt solche Eltern unter großen Druck“, so Schmidt-Wenzel. Ihr Rat: „Fragen Sie sich, was hinter den eigenen Anweisungen, Sorgen oder Verboten steckt.“ Maren Herbst

Maren Herbst

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