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Aus dem GERICHTSSAAL: Das Loch in der Waggondecke

Zeugen entlasteten den Angeklagten

Stand:

Niklas N.* sei ein junger Mann mit klaren Zielen, sagte die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe. Der Bundeszentralregister-Auszug des 20-Jährigen verrät, dass er bislang straffrei durchs Leben ging. Gestern musste sich der künftige Veranstaltungskaufmann allerdings wegen Sachbeschädigung vor Justitia verantworten. Niklas N. soll in der Nacht des 30. April vorigen Jahres mit der Faust ein 25 mal 10 Zentimeter großes Loch in die Wagendecke eines Regional-Expresses gehauen haben. Dadurch entstand ein Schaden von 98 Euro, listete der Staatsanwalt auf. Die Bahn hat sich jedoch noch nicht bei dem vermeintlichen Täter gemeldet, um ihn zur Kasse zu bitten.

Niklas N. – kräftig, mit einem Ring im Ohr - erzählte, er sei in jener Nacht mit Kumpels vom Werderaner Baumblütenfest gekommen. Alle seien angeheitert gewesen, hätten im überfüllten Zug gesungen und gefeiert. „Plötzlich fragte einer, wie kommt denn das Loch in die Decke? Ich stand schon am Ausgang, weil ich meinen Anschlussbus nach Hause schaffen wollte“, so der wegen Sachbeschädigung Angeklagte. „Ich war das nicht.“ Dennoch sei er auf dem Bahnhof von der Polizei in Empfang genommen und auf die Wache gebracht worden. Später hätten ihm zwei seiner Freunde berichtet, den Waggon im Überschwang der Gefühle demoliert zu haben.

Im daraufhin eingeleiteten Ermittlungsverfahren bestritt das Duo, Loch und Riss in der Wagendecke verursacht zu haben. Gestern gab Timo T.* (20) im Zeugenstand zu, beim Singen von Fußball-Liedern hochgesprungen und mit den Händen an die Decke des Abteils geklopft zu haben. Dabei – so der Zivildienstleistende – müsse wohl der Riss entstanden sein. „Warum haben Sie das nicht eher gesagt?“, rügte die Vertreterin der Anklage. Timo T. antwortete, es habe ihm an Mut gefehlt. „Wir haben alle gegen die Wände gehauen“ erinnerte sich der ebenfalls als Zeuge geladene Steve S.* (22). „Ich hatte in dieser Nacht schätzungsweise zwei Promille intus.“ Dann räumte er ein, „wohl für das Loch in der Decke“ verantwortlich zu sein. „Wenn alle gegen die Wände gedroschen haben, dann doch auch der Angeklagte“, warf die Staatsanwältin ein. „Nein, nein, Niklas hat nichts gemacht“, beteuerte der Bundeswehrsoldat.

Man könnte weiter ermitteln, die Polizisten hören, die damals im Einsatz waren, die aber aus Bad Düben stammen. Das wird noch teurer“, überlegte die Jugendrichterin, stellte dann das Verfahren auf Kosten der Staatskasse ein. „Das ist so etwas wie ein Freispruch zweiter Klasse“, erläuterte sie. (*Namen von der Reaktion geändert.) Hoga

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