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Interview zur neuen Aufgaben der Potsdamer Beamten: „Das Ordnungsamt darf keine Waffen einsetzen“

Der Potsdamer Verwaltungsrechtler Thorsten Ingo Schmidt hält zusätzliche Aufgaben für das Ordnungsamt für zulässig. Allerdings nicht den Einsatz von Schlagstöcken und Pistolen

Stand:

In Potsdam wird über Selbstverteidigungskurse für Ordnungsamtsmitarbeiter diskutiert, zugleich sollen sie mehr Aufgaben übernehmen. Sind in Potsdam auch Modelle denkbar wie in Wiesbaden, wo Ordnungsämter als Stadtpolizeien fungieren und die Mitarbeiter mit Reizgas, Schlagstöcken und Pistolen ausgerüstet werden?

Nein, dies ist ohne eine Gesetzesänderung nicht möglich. Zwar können die Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um im Einzelfall eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Damit meint der Gesetzgeber aber nur den Erlass von Bescheiden oder bei Gefahr im Verzug von mündlichen Anordnungen. Die Ordnungsämter dürfen aber nicht Hilfsmittel der körperlichen Gewalt wie Reizgas oder Waffen wie Schlagstöcke oder Pistolen einsetzen. Dies ist nach brandenburgischem Recht nur der Polizei vorbehalten.

Die Stadtverwaltung in Potsdam wehrt sich bisher gegen den SPD-Vorschlag, dass das Ordnungsamt 24 Stunden lang in Bereitschaft sein und dabei sämtliche Bagatelldelikte übernehmen soll. Ist das rechtlich zulässig oder übernimmt das Ordnungsamt damit polizeiliche Aufgaben, für die dessen Mitarbeiter nicht ausgebildet sind?

Eine Bereitschaft des Ordnungsamtes rund um die Uhr ist rechtlich zulässig. Dadurch kann die Polizei entlastet werden. Allerdings darf das Ordnungsamt nur Ordnungswidrigkeiten wie Geschwindigkeitsübertretungen ahnden – die Verfolgung von Straftaten wie Trunkenheitsfahrten ist hingegen nach der Strafprozessordnung des Bundes der Polizei und der Staatsanwaltschaft vorbehalten. Dies könnte auch der brandenburgische Landesgesetzgeber nicht ändern. Dafür fehlt es den Mitarbeitern des Ordnungsamtes im Übrigen auch an der notwendigen Ausbildung.

Nach dem SPD-Modell könnten die Mitarbeiter des Amts auch Freitagnacht Ordnungswidrigkeiten ahnden – also auch bei Lärmbelästigungen oder Trunkenheit in der Öffentlichkeit. Damit könnten Gefahren für Ordnungsamtsmitarbeiter verbunden sein, gerade in der Nacht. Wäre der Einsatz dieser Mitarbeiter dennoch rechtlich gedeckt?

Ja. Grundsätzlich können Mitarbeiter des Ordnungsamtes auch außerhalb der regulären Bürozeiten eingesetzt werden, sofern dies dienstlich erforderlich ist. Die entsprechenden Regelungen finden sich für Beamte in der Arbeitszeitverordnung der Landesregierung. Für angestellte Mitarbeiter im öffentlichen Dienst gelten entsprechende arbeitsrechtliche Regeln.

Welche sicherheitstechnische Ausstattung zur Gefahrenabwehr für Ordnungsamtsmitarbeiter wären zum Beispiel bei Nachteinsätzen erlaubt?

Der brandenburgische Gesetzgeber macht in dem Polizei- und dem Ordnungsbehördengesetz nur Vorgaben für Waffen und andere Hilfsmittel der körperlichen Gewalt, die zur Einwirkung auf einen Angreifer bestimmt sind. Davon unabhängig ist es selbstverständlich zulässig, Polizisten und Mitarbeiter des Ordnungsamtes mit entsprechender Schutzkleidung auszustatten. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn kann dies sogar gebieten.

Noch einmal zu den Selbstverteidigungskursen: Wenn bei einer Attacke auf einen Ordnungsamtsmitarbeiter dieser den Angreifer verletzt – wer muss dann haften?

Grundsätzlich hat der Angreifer selbst den Schaden zu tragen. Denn wenn ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes sich nur gegen einen Angriff verteidigt, dann handelt er rechtmäßig, weshalb kein Schadensersatzanspruch des Angreifers gegen den Mitarbeiter selbst oder gegen die Stadt bestehen kann.

Die Fragen stellte Henri Kramer

HINTERGRUND

Die Stadtverwaltung will zwar die Einsatzzeiten für das Ordnungsamt speziell im Sommer erweitern, lehnt aber weiter den von der Potsdamer SPD geforderte Einsatz ihrer Außenmitarbeiter in der Nacht ab, um die Polizei bei der Bearbeitung von Bagatelldelikten zu unterstützen. Das geht aus einer Mitteilung der Stadtverwaltung für die heutige Sitzung des Stadtparlaments hervor. Zur Begründung heißt es, ein 24-Stunden-Dienst, vor allem in den Nachtstunden, würde wegen der nicht auszuschließenden Risiken für Leib und Leben „zwingend eine Einsatzausbildung erforderlich machen“. Ebenso seien im Land Brandenburg keine Ordnungsbehörden ermittelt worden, die durchgängig an sieben Tagen in der Woche jeweils 24 Stunden im Einsatz oder erreichbar sind, so die Stadtverwaltung. SPD-Chef Mike Schubert kritisierte auf Anfrage, die Verwaltung liege bei ihrer rechtlichen Einschätzung zum 24-Stunden-Dienst falsch (siehe auch Interview). „Zugeparkte Feuerwehr- und Rettungszufahrten gefährden in der Nacht genauso die Sicherheit der Bürger wie am Tage“, sagte Schubert. Laut der städtischen Mitteilung sind inzwischen acht zusätzliche Ordnungsamtsinspektoren eingestellt worden – speziell zur Kontrolle von Parksündern. Ebenso prüft die Stadtverwaltung, ob eine Fahrradstaffel nach dem Vorbild der Polizei eingerichtet wird. Allerdings würde das pro Mitarbeiter 1500 Euro für das Fahrrad und 1000 Euro für Schutzkleidung kosten. (HK)

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