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Was ist mit den Amis los? Christoph von Marschall sieht die Medien am Erfolg von Donald Trump als nicht ganz unschuldig.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Das Phänomen Trump

Tagesspiegel-Redakteur Christoph von Marschall sprach in der Bibliothek über die Wahlen in den USA

Von Sarah Kugler

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Sie hat es geschafft. Hillary Clinton ist die erste Frau, die für die Demokraten in der Hauptwahl zum US-Präsidenten antritt. Bernie Sanders ist raus aus dem Rennen. Dass es so kommen würde, hat Christoph von Marschall bereits am Dienstagabend prognostiziert, noch bevor die Vorwahlergebnisse in den USA feststanden. In der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam stellte er sein Buch „Was ist mit den Amis los? Über unser zwiespältiges Verhältnis zu den USA“ vor.

Anschließend diskutierte der Geschäftsführende Redakteur des Tagesspiegels, der von 2005 bis 2013 USA-Korrespondent war, mit Journalistin Margit Miosga sowie Hans Stein von der Friedrich-Naumann-Stiftung darüber, wie sich die deutsche von der amerikanischen Mentalität unterscheidet. Der aktuelle Wahlkampf war dabei natürlich Thema.

Auch wenn von Marschall betonte, dass Voraussagen zu der Wahl mit Vorsicht zu genießen seien – es habe schon genug Überraschungen gegeben –, zeigte er sich schon am Dienstag überzeugt, dass Sanders die Vorwahl nicht gewinnen wird. Was die Zukunft des Kandidaten der Republikaner, Donald Trump, anging, wollte er keine Prognosen stellen.

„Im vergangenen Sommer hat noch niemand überhaupt für möglich gehalten, dass er der Kandidat der Republikaner wird, ich auch nicht“, so von Marschall, der sein Buch „Was ist mit den Amis los? Warum sie an Barack Obama hassen, was wir lieben“ für die 2016er-Ausgabe noch einmal gründlich überarbeitet hat. „Auch viele meiner amerikanischen Kollegen hinterfragen sich jetzt, überlegen, warum sie falsche Prognosen aufgestellt haben.“

Laut von Marschall habe der Erfolg Trumps mehrere Gründe. Zum einen gebe es in den USA eine gewisse Faszination für Menschen, die wirtschaftlich erfolgreich sind. „In Deutschland besteht ja eher ein Misstrauen gegenüber der Wirtschaft, hier wäre es undenkbar, dass der Leiter eines großen Unternehmens gewählt wird“, so von Marschall. Trump treffe zudem mit seinen einfachen, zum Teil schon fast einfältig klingenden Sätzen genau den Nerv der Wähler, denen es wirtschaftlich nicht so gut geht.

Da die Arbeitslosenquote in den USA derzeit bei nur etwa fünf Prozent liege, hätten viele übersehen, dass der Aufschwung nicht alle erreicht. Die Medien seien nicht ganz unschuldig an Trumps Aufstieg, da sie über jeden Fehltritt, jede Peinlichkeit berichten würden. „Für ihn ist das eine Plattform, die er natürlich clever nutzt“, so von Marschall. „Er hebt die Quote, das ist ihm durchaus bewusst.“

Überhaupt halte er Trump nicht für dumm. Auch wenn sich niemand wünschen sollte, dass er zum Präsidenten gewählt wird: Wenn es so wäre, müsste er „sehr schnell lernen, dass leere Parolen allein nicht funktionieren“. Und er werde hoffentlich genug kluge Leute um sich haben, die ihn auf dem richtigen Weg unterstützen werden.

Insgesamt rechne er Hillary Clinton höhere Chancen zu, da sie Sachpolitik mache. Das Problem sei nur, dass sie durch ihre sachliche Art oft wie ein „Streberin“ rüberkäme. „Trump wird sich beispielsweise bei einer Fernsehdebatte überhaupt nicht auf ihre faktischen Argumente einlassen“, so Christoph von Marschall. Eher würde er so etwas sagen wie: „Du willst ein Land regieren? Du kannst doch nicht mal deinen Mann kontrollieren!“

Clintons Chance bestehe nur darin, weniger unsympathisch als Trump rüberzukommen. Denn wirklich beliebt seien nach Umfragen beide Kandidaten nicht – es bleibe also spannend. Sarah Kugler

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