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Sport: Das Phantomtor darf weiter spuken

Die Einführung von technischen Hilfsmitteln zur Bestimmung von Toren in der Ersten und Zweiten Liga scheitert deutlich

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Über den zuletzt aufregendsten Fall wurde keine Sekunde geredet. War das sogenannte Phantomtor am 18. Oktober 2013 schon zu lange her, um die Delegierten der 36 Klubs aus der Ersten und Zweiten Bundesliga bei ihrer Mitgliederversammlung in Frankfurt am Main noch zu beschäftigen? Zumindest sprach niemand mehr darüber, dass der Leverkusener Stefan Kießling damals, beim 2:1-Sieg der Rheinländer bei der TSG Hoffenheim einen von Schiedsrichter Felix Brych anerkannten irregulären Kopfballtreffer erzielt hatte, den ein Loch im Außennetz ermöglichte. Die Abgesandten der deutschen Profivereine hatten sich jedenfalls längst eine Meinung gebildet, als es am Montag zum Schwur kam. Sie lehnten die Einführung einer Torlinientechnik ab.

In der Ersten Liga teilte sich die Summe der Befürworter und Gegner bei einem Votum von 9:9; in der Zweiten Liga triumphierten die Traditionalisten und Gegner einer Neuerung mit einem 15:3-Vorsprung. Ein eindeutiges Votum also – und ein überraschendes. Hatten doch viele geglaubt, dass spätestens mit dem Phantomtor zumindest in der Ersten Bundesliga der Boden für die Anerkennung neuer Realitäten bereitet worden war.

Zu einer Reform bei der entscheidenden Frage Tor oder kein Tor in strittigen Situationen mochten sich aber nur ein Dutzend Klubs mit Bayern München vorneweg bekennen. „Wir bedauern diese Entscheidung“, kommentierte der Münchner Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge, „als Demokraten haben wir das zu akzeptieren. Nun werden wir weiter mit Fehlentscheidungen leben müssen. Diejenigen, die gegen die Torlinientechnik gestimmt haben, sollten dann aber auch nicht mehr lamentieren.“

Auch die Gewinner des Tages waren am Ende klug genug, ihren Etappensieg nicht als Entscheidung für heute, morgen und übermorgen zu verstehen. Heribert Bruchhagen, der Vorstandsvorsitzende von Eintracht Frankfurt, führte die Riege der Neinsager an und argumentierte so: „Der Fußball soll überall unter gleichen Bedingungen gespielt werden.“ Er sagte aber auch, „ich glaube nicht, dass es ein Nein für alle Zeiten war“. Wohl aber eins, das für die nächsten Jahre gültig bleiben dürfte. Dass die Zweitligavertreter bei Kosten von rund 500 000 Euro pro Saison für ein kamerabasiertes Modell wie das in der englischen Premier League erfolgreich eingesetzte Hawkeye-System gestimmt hätten, war von vornherein nicht erwartet worden; aber vielleicht doch für das um mehr als die Hälfte günstigere System mit Magnetfeld und Chip oder Spulen im Ball.

So bleibt die englische Premier League vorerst der einsame Bannerträger des Fortschritts, dem sich auch der Internationale Fußball-Verband Fifa verpflichtet sieht. Die WM in Brasilien im Sommer wird in der Frage nach der Richtigkeit eines Treffers von den Hochgeschwindigkeitskameras der deutschen Firma Goal Control überwacht, die den Probelauf beim Confederations Cup 2013 problemlos bestand. Andere europäische Spitzenligen wie die Serie A und die Primera División setzen statt auf Torlinientechnik auf den Faktor Mensch und vertrauen die Entscheidung, ob der Ball drin war oder nicht, neben dem Schiedsrichter auch Torrichtern an, wie sie der europäische Verband Uefa bei den Europapokal-Wettbewerben einsetzt. In der Bundesliga, die auf die so gut wie fehlerfreie Torlinientechnik wie auf die fehlbaren Torrichter verzichtet, sind Schiedsrichter und Assistenten auf sich gestellt.

Dass sie sich Hilfe von der Einführung der Torlinientechnik gewünscht hätten, sei aus ihrer Sicht „nachvollziehbar“, bewertete Andreas Rettig, der Sport-Geschäftsführer der DFL, die Haltung der Unparteiischen und fügte hinzu, dass der manchmal schwierige Torentscheid „nur ein kleines Teilsegment“ von etwa fünf Prozent ausmache. Wer aber diese Fünfprozenthürde mit falschen Entscheidungen in entscheidenden Augenblicken verfehlt, bekommt Probleme. Welche genau, wissen Felix Brych und Stefan Kießling seit dem 13. Oktober 2013 nur zu genau.

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