Landeshauptstadt: Das „Potsdamer Modell“
Mit einem „Pilotteam“ für Schlaatz und Stern beginnt Ende Mai das Experiment „Sozialraum“ in Potsdam
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Mit einem „Pilotteam“ für Schlaatz und Stern beginnt Ende Mai das Experiment „Sozialraum“ in Potsdam Ende Mai soll das erste sozialraumorientierte „Pilotteam“ der Jugendverwaltung im Schlaatz und der Waldstadt die Arbeit aufnehmen. Das kündigte Potsdams Jugendamtsleiter Norbert Schweers am Donnerstag im Jugendhilfeausschuss an. Am 9. Mai erfolgt die Auswahl aus den zahlreichen Bewerbungen für das zukünftige siebenköpfige Team. Bis zum 31. Dezember ist das Pilotprojekt befristet. Bis dahin sollen die ersten Ergebnisse ermittelt und die Umsetzung für die gesamte Verwaltung ab 2006 vorbereitet werden, so Schweers. Der Prozess der Neuorganisation folgt einem Leitmodell, das laut seinen Befürwortern die Quadratur des Kreises bietet: Sozialräume steigern die Effizienz, minimieren die Kosten und graben längst vergessene oder wenig beachtete Ressourcen aus. Das Stadtquartier werde dank dem Sozialraumkonzept schöner und lebenswerter – bei einem deutlich niedrigerem Aufwand öffentlicher Gelder. Die Stadt hat sich deshalb bereits 2003 in sechs Sozialräume mit insgesamt 27 Stadtteilen aufgeteilt. Das Sozialraumkonzept basiert auf der Annahme, dass die Stadt sozial „ungleiche“ Stadträume aufweist. Ein Wohnquartier wie der Stern hat eine andere Bewohnerstruktur, als die Berliner Vorstadt. Verkürzt gesagt: Im Stern wohnen mehr Arme und Arbeitslose, in der Berliner Vorstadt mehr reiche Potsdamer und Zugezogene. Der Bewohner findet hier nicht dieselben Möglichkeiten und Chancen wie in einem besser ausgestatteten Wohnbezirk. Außerdem kann ein sozial schwaches Umfeld leicht zu einem erhöhten Konfliktpotenzial führen. Das Grundgesetz hat hierzu eine eindeutige Position: Es fordert „annähernd gleiche Lebensbedingungen“ für alle Bürger. „Daher muss die Verwaltung die fortschreitende Spaltung der Stadt in reiche, wohlhabende und benachteiligte Quartiere erkennen und zum Ausgangspunkt sozialer Ausgleichsstrategien nehmen“, schreiben die Autoren des Standardwerks „Soziale Stadt – Sozialraumentwicklung – Quartiersmanagement“. Diesem Postulat kann die Kommunalpolitik aber mit ihren bisherigen Instrumentarien, auch in Potsdam, nicht nachkommen. Das Sozialraumkonzept setzt hier an. Durch die rein strukturelle Aufteilung der Stadt in Sozialräume soll der lokale Handlungsbezug gestärkt werden. Die kleineren Einheiten machen die Unterschiede zwischen den Quartieren deutlicher sichtbar. Das Konzept der Sozialraumordnung legt großen Wert auf die Aktivierung der Ressourcen des Raumes und seiner Bewohner. Prävention soll an die Stelle der Reaktion treten, um so die hohen Kosten in der Jugendarbeit zu senken, erklärte Wolfgang Schichterich, der für die Stadt als Jugendhilfeplaner das Sozialraumkonzept mitentwickelt. Statt die Gelder an den Einzelfall zu binden und so ganze „Karrieren“ sozialer Hilfe zu generieren, soll nach dem neuen Konzept der Sozialraum dem Jugendlichen derartige Angebote machen, dass er erst gar nicht zum „Sozialfall“ wird. Ohne das natürlich der gesetzliche Anspruch auf Hilfe untergraben wird. Es soll vermieden werden, das es überhaupt zu diesem Anspruch kommt. Die Grundfrage sozialer Arbeit dürfe nicht mehr sein „Was brauchst du?“, sondern sie müsse lauten „Was willst Du?“, so der geistige Vater des Sozialraumkonzepts: Der Essener Professor Wolfgang Hinte hatte auf seinem Vortrag im Januar auf einer Fachtagung in Potsdam den Sozialraum als ein Netzwerk sozialer Akteure beschrieben, die Hand in Hand gehen und dem Jugendlichen so vielfältige Chancen offerieren. Die Politik greife hier nur noch sanft steuernd ein, indem sie den Sozialraum einer Analyse unterziehe, dabei Bedarf und Ressourcen offen lege und zueinander in Bezug bringe. Bis zum 30. Juni soll sich das „Pilotteam“, dass sich aus Mitarbeitern der Jugendverwaltung zusammensetzen wird, eingearbeitet haben, so Schichterich. Danach folgen Gespräche mit den Freien Trägern vor Ort. Schichterich betonte, dass die enge Zusammenarbeit des „Pilotteams“ mit den Freien Trägern erst zu einem Erfolg des Konzepts beitragen. Potsdam strebt dabei an, dass viele Freie Träger mit eingebunden werden, um so die nötige Vielfalt zu gewährleisten. Schichterich sieht das Konzept schon jetzt auf dem Erfolgsweg und glaubt, dass das „Potsdamer Modell“ bald Vorbildwirkungen für andere Städte haben wird. Bei allem Optimismus – Kritiker sehen die Gefahr, dass der Ansatz als reines Sparinstrument missbraucht wird. Auch Thomas Liebe vom Treffpunkt Fahrland befürchtet, dass gerade kleine Freie Träger, die keine Kapazitäten für die Verhandlungsgespräche mit dem „Pilotteam“ haben, auf der Strecke bleiben. „Dann werden nur die großen Freien Träger die Aufgaben und das Geld zugesprochen bekommen“, so Liebe. Sozialbeigeordnete Elona Müller gab zu bedenken, dass der gesteckte Zeitplan bis Ende des Jahres „sehr ehrgeizig“ sei. Erst bei der Umsetzung werde sich zeigen ob wie geplant schon 2006 die gesamte Verwaltung nach diesem Konzept arbeiten wird. JI/D.B.
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