Landeshauptstadt: „Das schadet der politischen Kultur“
Mammut-Sitzungen und frustrierte Stadtpolitiker: Der Grüne Nils Naber sagt, wie es anders gehen könnte
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Herr Naber, Sie waren Grünen-Fraktionschef im Stadtparlament, gaben das Amt im April auf. Ihre Begründung war der von Martina Engel-Fürstberger, die jüngst als FDP-Fraktionschefin zurücktrat, sehr ähnlich: Beruf, Familie und Stadtverordneter sein, das gehe nicht zusammen.
Ich will nicht ausschließen, dass es für einige Leute geht. Für mich war es ausgeschlossen. Ausschlaggebend waren die vielen Abendtermine. Drei bis vier Abende in der Woche nicht Zuhause zu sein, ist mit Familie nur schwer vereinbar.
Aber lässt sich das ändern?
Im Grunde schwer, aber man kann die Arbeit der Stadtverordneten effektiver gestalten, insbesondere den Ablauf der Stadtverordnetenversammlung. Die Potsdamer Stadtverordneten – das ist in einem Bundesvergleich untersucht worden – tagen mit über sieben Stunden pro Sitzung überdurchschnittlich lang. Außerdem finden fast immer Nachhol-Sitzungen statt. Das ist außergewöhnlich in der Kommunalpolitik bundesweit.
Wie kann das Stadtparlament effektiver werden?
Arbeitsgrundlage ist die Geschäftsordnung, die müsste verändert werden. Ein erster Punkt dafür: Wenn fast alle Anträge sowieso Fachdebatten in den Fachausschüssen nach sich ziehen, wieso müssen sie dann immer noch wortreich ins Stadtparlament eingebracht werden? Das verlängert die Sitzungszeit.
Alle Anträge gleich in die Fachausschüsse?
So wird vielerorten verfahren, beispielsweise in Dresden. Natürlich können Anträge auch weiterhin direkt beschlossen oder diskutiert werden, aber das ist dann die Ausnahme, nicht die Regel. In Potsdam gibt es ja bereits die sogenannte Konsensliste, über die Anträge direkt in die Ausschüsse verwiesen werden. Viele Fraktionen nutzen das, aber insbesondere die Linke tut dies kaum: In meinen drei Jahren als Stadtverordneter kam das nur ein einziges Mal vor.
Was kann Potsdams Kommunalparlament noch in seiner Arbeit verändern?
Warum gibt es einen Bericht des Oberbürgermeisters in jeder Sitzung? Das ist ja so, als wenn im Parlament in jeder Sitzung eine Regierungserklärung gehalten werden würde. Und im Grund vollzieht der Oberbürgermeister-Bericht nur die Mediendebatte der vergangenen Tage nach und es werden bekannte Positionen ausgetauscht. Das allein dauert eine Stunde.
Der Oberbürgermeister soll weniger reden – die Fraktionen auch?
Man sollte die Einführung von Redezeiten je nach Größe der Fraktion, wie es sie auch in größeren Parlamenten gibt, auf jeden Fall diskutieren.
Liegt die große Belastung der Stadtverordneten auch daran, dass Politik und Bürger in Potsdam besonders streitlustig sind?
Ich glaube, es liegt eher an den Kommunalpolitikern selbst. Oft werden zu jedem Detail sofort Anträge in die Stadtverordnetenversammlung eingebracht. Das betrifft erneut vor allem die Linke, die fast immer eine zweistellige Anzahl von Anträgen vorlegt und die Verwaltung oft mit Konzepten beauftragen will. Beispiel: Die Linke will, dass die Verwaltung ein Konzept zur langfristigen Entwicklung des ländlichen Raums erarbeitet. Dabei hat sie selbst eines in der Schublade. Aber das stellt sie nicht zur Abstimmung – stattdessen soll die Verwaltung eines erarbeiten, damit die Linke ihres dagegen legen und das städtische kritisieren kann. Außerdem werden oft Anträge zu Themen gestellt, die sich auch über Anfragen an die an die Verwaltung klären ließen.
Sind Sie zuversichtlich, dass Potsdams Stadtverordnete an ihrer Geschäftsordnung tatsächlich etwas ändern werden?
Ja, ich hoffe das, denn viele sind unzufrieden. Ich hoffe auch, dass einige Fraktionen ihre Anträge intensiver vorbereiten, um eine größere Akzeptanz für ihre Anliegen herzustellen. Da nehme ich auch meine eigene ehemalige Fraktion nicht aus. Das Kommunalparlament soll doch Richtungsentscheidungen treffen und nicht ständig die Verwaltung beauftragen, große Papiere zu machen, damit man sie nachher zerreißen kann und sagen kann: Die Verwaltung ist doof! Das schadet der politischen Kultur.
Zugespitzt gefragt: Wenn sich nichts ändert, wird die Stadtverordnetenversammlung zum Parlament der Rentner und Berufspolitiker?
Dazu kann ich nur sagen: Es ist schwer, heutzutage einem privaten Arbeitgeber, bei dem man angestellt ist, klar zu machen, wie oft man zu Sitzungen muss. Wir brauchen aber weiterhin engagierte Leute aus allen Bereichen.
Das Interview führte Sabine Schicketanz
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