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Landeshauptstadt: Das unbekannte Phänomen

Gewalt in der Schule: 8. Präventionstreffen in Hermannswerder

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Gewalt in der Schule: 8. Präventionstreffen in Hermannswerder Von Günter Schenke Hermannswerder. Muss Gewalt an den Schulen vorkommen, weil dieses Phänomen zunehmend zum Leben der Gesellschaft gehört? Diese provozierende Frage warf Norbert Lademann gestern auf dem 8. Brandenburger Präventionstreffen in Hermannswerder auf. Der Anglist Lademann berichtete von einer Tagung in New York und der dortigen Diskussion über dieses Thema. Vier bis fünf Stunden sehen dort die Kids täglich Fernsehsendungen, in denen reichlich Gewalt vorkommt. Gewalt gehöre zur Schule, meinen daher viele Pädagogen. Rita Marx, Professorin an der Fachhochschule Potsdam, findet die Meinungsäußerungen der von Lademann zitierten Tagungsteilnehmer „schockierend“, denn in einer Atmosphäre von Gewalt fehle das Klima zum Lernen. In den USA hätten viele Lehrer Angst, in die Schule zu gehen, weil sie die Gewaltübergriffe ihrer Schüler fürchten, weiß Marx. Und die konsequenten Waffenkontrollen vor Betreten einer amerikanischen Schule seien ebenfalls eine Form von „kultureller Gewalt.“ Zwar ist Deutschland von amerikanischen Verhältnissen (noch) weit entfernt, doch nach dem Erfurter Massaker ging ein Schock durch das Land. Dietmar Sturzbecher vom Institut für angewandte Familien- und Jugendforschung an der Universität Potsdam hat sich mittels Befragungen dem Gewaltphänomen genähert. Zumindest was die Häufigkeit von Gewalttaten betrifft, ist die Ausbeute eher gering. Nur zwei bis drei Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler beteiligen sich an Schlägereien oder gewalttätigen Aktionen „oft“, die meisten „nie“ oder „selten“. Gewalt ist demnach eine Erscheinung von einzelnen Schülern. Die meisten Fragen, die zum Thema „Gewalt an der Schule“ gestellt werden, können die Wissenschaftler trotz intensiver Forschungen nicht klar beantworten. Von Jugendlichen ausgehende Gewalt ist offenbar immer noch ein unbekanntes Phänomen. Schon bei der einfachen Frage, ob Gewaltdarstellungen im Fernsehen zum Abreagieren von Aggressivität beitragen oder im Gegenteil zum Nachahmen anregen, müssen die Wissenschaftler passen. Rita Marx sagt: „Selbst weiß ich nicht, was zutreffend ist.“ Und Sturzbecher spricht vom „fehlenden Beweis“, kennt aber immerhin die „aktivierenden Funktion“ solcher Gewaltdarstellungen auf Kinder im Vorschul- und Grundschulalter. Kriminalisten wollen wissen, wie die Tendenz der Gewalthäufigkeit ist. Müssen wir mit einer Steigerung oder mit einer Abschwächung rechnen? Eine schlüssige Antwort bleiben die Wissenschaftler schuldig. Alle sind sich einig, dass die Lehrerinnen und Lehrer, aber schon die Kindergärtnerinnen, im Studium pädagogisch besser auf ihre Tätigkeit und auf den Umgang mit den Phänomenen Gewalt und Macht bekannt gemacht werden müssen. Die Praxis sieht aber düster aus. Dietmar Sturzbecher erinnert an das einst gelobte „Potsdamer Modell der Lehrerbildung“, das dem Rotstift zum Opfer fiel. Jetzt dominiere die Fachdidaktik, klagt er.

Günter Schenke

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