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Sport: Das Volk und andere Fragezeichen
Bürgerbefragung weiter ungeklärt: Fällt die DOSB-Entscheidung über die Olympiabewerbung von Berlin oder Hamburg erst 2015?
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Berlin - Berlin ist olympiareif – Hamburg auch. Das sieht zumindest Alfons Hörmann so, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Zehn Tage lang hat man in seinem Haus die Bewerbungskonzepte der beiden Städte begutachtet, die sich für Olympische Sommerspiele 2024 beziehungsweise 2028 bewerben wollen. „Da wurde von beiden Seiten höchst professionell gearbeitet“, sagt Hörmann am Donnerstag nach der DOSB-Präsidiumssitzung in Berlin. „Beide Städte bringen vollumfänglich die Grundvoraussetzungen mit, Olympia auszurichten.“ In beiden Konzepten seien aber auch „zahlreiche Fragezeichen und Verbesserungsnotwendigkeiten enthalten, wo wir noch mal sehr tief einsteigen und diskutieren müssen“.
Interessanterweise erwähnt Hörmann dabei auch den Vorschlag des Berliner Inklusions-Konzepts, die Paralympischen Spiele vor Olympia stattfinden zu lassen. „Das halten wir für einen im Moment noch fraglichen Konzeptansatz“, sagt Hörmann. Auch die angedachte weite Streuung der Sportstätten außerhalb Berlins soll offensichtlich noch einmal detailliert diskutiert werden. „Ist eine Wildwasserstrecke in Markkleeberg noch zu akzeptieren? Ist das zu weit weg oder ist das sogar ein Vorteil?“, fragt Hörmann. „Das wissen wir selbst noch nicht.“
Ungeklärt ist weiterhin auch die zentrale Olympia-Frage: die Bürgerbefragung. Deshalb wird nun immer wahrscheinlicher, dass die Entscheidung über eine Bewerbung nicht mehr in diesem Jahr fällt. Der angedachte Termin, der 6. Dezember, an dem auf der DOSB-Mitgliederversammlung in Dresden eigentlich eine der beiden Städte auserwählt werden sollte, wackelt jedenfalls. „Es kann durchaus so sein, dass am 6. Dezember die Zeit noch nicht reif für eine Entscheidung ist, weil das Stimmungsbild noch nicht klar ist“, sagt Hörmann. „Es könnte auch sein, dass es einen Teilbeschluss geben wird und das Thema Bürgerbefragung dann nachgeschoben wird. Es kann auch ein Zustand entstehen, dass keine Olympiabewerbung entsteht.“ Bis zum Herbst 2015 hat der DOSB noch Zeit, dann müsste eine Bewerbung beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) eingehen.
Alles offen also, eben deshalb, weil der Wille des Volkes derzeit kaum seriös zu berechnen ist. Ohne diesen aber wird sich der deutsche Sport nicht an eine Olympiabewerbung herantrauen, zu tief sind noch die Wunden nach dem Nein der lokalen Bevölkerung zu Winterspielen in München. „Ein Szenario wie in München wollen und werden wir nicht mehr erleben“, sagt Hörmann. „Sich auf eine Stadt festlegen und gegebenenfalls eine Rote Karte zu kassieren, kann nicht das Ziel sein.“
Das Werben um die Zustimmung in der Bevölkerung wird also zum alles entscheidenden Thema. Im August lagen die Olympiabefürworter in Berlin laut einer Forsa-Umfrage knapp mit 52 zu 46 Prozent vorn – aber das war auch in München lange so. Deshalb macht Präsident Hörmann das Ausforschen der Volksseele zur Chefsache. Dafür will er mit Befürwortern wie Gegnern diskutieren. Hörmann war am Donnerstag sehr darauf bedacht, den Kritikern das Gefühl zu geben, dass ihre Bedenken ernst genommen würden. Konkret spricht er das Bündnis „Nolympia“ an, das davon ausgeht, dass statt der prognostizierten zwei Milliarden Euro das fünffache an Kosten auf die Bürger zukommt. „Wir wollen zeitnah mit den Vertretern von Nolympia sprechen, damit auch diese Argumente in die Sichtweise des Präsidiums einfließen“, sagt Hörmann. Außerdem verweist er die Kritiker auf die „Agenda 2020“, die IOC-Präsident Thomas Bach Anfang Dezember auf den Weg bringen will. Hörmann verspricht sich davon, dass das IOC auf die Kritik an der Gigantomanie der letzten Zeit reagiert und die Hürden für Bewerberstädte senkt.
Bis zur DOSB-Präsidiumssitzung am 28. Oktober sollen die Konzepte aus Berlin und Hamburg „so weiterentwickelt werden, dass wir im Idealfall zwei erfolgversprechende Konzepte haben“. Bis dahin will der DOSB auch entscheiden, ob er genügend belastbare Daten für ein Stimmungsbild hat, um am 6. Dezember eine Entscheidung zugunsten von Berlin oder Hamburg treffen zu können. Auf welchem Weg das geschehen soll, so ganz ohne Bürgerbefragung? „Das lassen Sie unsere Sorge sein.“ Christian Hönicke
Christian Hönicke
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