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Sport: „Das war ein schwerer Schritt“
Biathlet Michael Rösch fühlte sich in Deutschland schlecht behandelt – nun startet er als Belgier
Stand:
Herr Rösch, Sie gehen demnächst für Belgien an den Start. Wie kommt man als deutscher Olympiasieger auf so eine Idee?
Ich hatte beim Deutschen Ski-Verband nicht mehr das Gefühl, wirklich Beachtung zu finden. 2011, bei der Heim-WM in Ruhpolding, konnte ich nicht starten, weil ich krank war. Der DSV gab daraufhin die Mannschaft für das Folgejahr bekannt, in der ich nicht war. Da fing ich an, mir Gedanken über meine Zukunft im Biathlon zu machen. Mein Management hatte dann die Idee mit dem Verbandswechsel. Ich war auf Anhieb davon überzeugt.
Aber warum bei den Belgiern? Die haben gerade mal fünf Medaillen bei olympischen Winterspielen gewonnen.
Genau deswegen hat sich Belgien für mich angeboten. Wir haben einen kleinen Verband gesucht. In Belgien ist Biathlon weniger populär. Wir hatten die Vision, mit Know-How und Sponsoren den Verband zu stärken und etwas aufzubauen.
Was bedeutet das für Sie?
Ich will mit Erfolgen helfen, dass sich in Belgien die Infrastruktur für den Sport verbessert. Etwa mit Trainingszentren. Für mein Training ist das natürlich nicht relevant. Ich bin das Jahr über sowieso überall unterwegs und orientiere mich an den äußerlichen Gegebenheiten. Dieses Jahr ging es viel um Höhentraining, deshalb bin ich in die Alpen gereist.
Wie haben Ihre Kollegen aus der Olympia-Staffel von Turin auf Ihre Entscheidung reagiert?
Ricco Groß findet es so weit in Ordnung, als Bundestrainer würde er mich aber lieber für Deutschland starten sehen. Sven Fischer findet es zwar schade, kann aber meine Entscheidung auch nachvollziehen. Es hat sich insgesamt an unserem Verhältnis nichts geändert.
Für Sie hat sich viel geändert. Sie mussten für den Verbandswechsel ihr Amt als Polizeihauptmeister aufgegeben.
Die Kündigung bei der Bundespolizei war ein schwerer Schritt. Ich war Beamter auf Lebenszeit und hatte auch ein gutes monatliches Einkommen. Zum Glück hatte ich während der Übergangszeit in meiner Heimat bei Dresden einen Sponsor, der mich eingestellt hat. So konnte ich mich über Wasser halten.
Nach dem Olympia-Sieg 2006 wurden Sie als Mitglied einer neuen goldenen Generation nach Ricco Groß und Sven Fischer gehandelt. Ende 2009 kam dann aber mit der Nicht-Nominierung für den Weltcup der Tiefpunkt. War der Druck zu groß?
Ich war vor dem Weltcup relativ gut in Form und hatte im Sommer bei der WM sogar drei Medaillen gewonnen. Allerdings hatte ich im Herbst zu viel trainiert, weshalb ich völlig ausgelaugt war. Ausschlaggebend waren dafür allerdings eher private Gründe. Ich habe damals ein paar falsche Entscheidungen getroffen.
Was für Entscheidungen waren das?
Da war die Entscheidung, in meiner Heimat Altenberg ein eigenes Haus zu bauen. Das hat sehr viel Energie und Zeit gekostet. Ich hätte mich weiter intensiv auf die Wettkämpfe vorbereiten müssen.
Was erhoffen Sie sich nun von dem Verbandswechsel?
Ich erhoffe mir, dass ich mit den regelmäßigen internationalen Wettkämpfen wieder an meine vergangenen Leistungen anknüpfen kann. Der Verband erwartet natürlich das Gleiche. Gemeinsam haben wir das Vorhaben, mit guten Sponsoren etwas in Belgien zu bewegen. Dabei leiste ich den sportlichen Beitrag und der Verband den finanziellen. Eine Win-Win-Situation. Das Fernziel ist, für Olympia 2018 eine Staffel stellen zu können.
Langläufer Johann Mühlegg startete für Spanien, der österreichische Skirennläufer Marc Girardelli für Luxemburg. Zwei Fälle mit unglücklichem Ende. Mühlegg verlor seine olympischen Goldmedaillen 2002 wegen Dopings und Girardelli hat seinen Verbandswechsel später als „idiotisch“ bezeichnet. Gibt es bei Ihnen auch Zweifel?
Ich stehe voll dahinter und bin mir sicher, dass es die richtige Entscheidung für meine sportliche Zukunft ist. Zumal ich hier auch die Chance sehe, nach meiner aktiven Karriere in den belgischen Trainerstab zu wechseln.
Das Gespräch führte Amir Addin.
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