Landeshauptstadt: Das wichtige Dazwischen
Heilpädagogen fordern abgestimmtes System bei Frühförderung von Kindern
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Kinder mit Entwicklungsstörungen werden in Potsdam von einem dichten Netz an Begleit- und Fördereinrichtungen aufgefangen. „Es gibt hier im Vergleich zu ländlichen Gebieten eine Superinfrastruktur“, sagt Ulrike Ehlert, Leiterin einer von drei Frühförderstellen in der Stadt. So gebe es fünf Integrationskitas, den sozialpädiatrischen Dienst sowie eine Vielzahl Kinderärzte, Logopäden und Physiotherapeuten, so Ulrike Ehlert. Woran es allerdings mangele, sei das Interdisziplinäre, das wichtige Dazwischen. Die Frühförderstellenleiterin hatte gestern Besuch von Karin Evers-Meyer, Bundesbeauftragte für Belange behinderter Menschen sowie Helga Kühn-Mengel, Patientenbeauftragte des Bundes. Sie starteten ihre Informationsreise durch alle Bundesländer in der EJF-Lazarus-Einrichtung in Potsdam-West.
Bevor einem Kind mit Förderbedarf geholfen werden könne, müsse es mehrfach vorstellig werden: beim Arzt, dem Sozialamt und dem Gesundheitsamt, erklärte Ulrike Ehlert. Ein unnötiger Aufwand, der durch eine interdisziplinare Diagnose verkürzt werden könnte, sagte die Leiterin der Frühförderstelle. Bislang scheitere dies aber vor allem an den Kostenträgern, die sich einigen müssten. Dem stimmten Bundesbehinderten- und Patientenbeauftragte zu. Sie wollten ihre Reise durch die Länder auch nutzen, um die Umsetzung der im Sozialgesetzbuch festgeschriebenen so genannte Komplexleistung einzufordern.
In der Frühförderstelle des EJF- Lazarus würden zurzeit 96 Kinder heilpädagogisch betreut, 40 von ihnen kämen aus der Landeshauptstadt, die übrigen – blinde und sehbehinderte Kinder – aus der Region. Acht Mitarbeiter seien in der Einrichtung in der Knobelsdorffstraße tätig – allesamt mit einer heilpädagogischen Ausbildung. „Uns fehlt aber der Arzt, um eine heilpädagogische und medizinische Einschätzung zu machen und gemeinsam mit den Eltern einen Förder- und Behandlungsplan festzulegen“, erklärte Ulrike Ehlert. Diese interdisziplinare Absprache müssten die Krankenkassen zu 85 Prozent tragen und den Rest die Sozialhilfeträger, im Falle von Potsdam die Verwaltung. Beginne die tatsächliche Förderung, kehre sich das Leistungsverhältnis um. Dann nämlich zahle die Sozialverwaltung 80 und die Kassen 20 Prozent. Hier würden von den Kommunen immense Kosten befürchtet, sagte die Leiterin. „Zu teuer“ sei das Hauptargument, warum die Komplexleistung kaum umgesetzt werde. Dabei seien die Ausgaben für das bestehende System bisher noch nicht beziffert worden, kritisierte Ulrike Ehlert. Sie glaube sogar, dass durch bessere Absprachen aller Beteiligten unnötige Leistungszahlungen vermieden werden können. Nicht zuletzt spare man in einem abgestimmten System auch wertvolle Zeit, die den Kindern mit Förderbedarf dann zu gute komme. N. Klusemann
N. Klusemann
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