Landeshauptstadt: Das wird richtig mystisch
Jürgen Rendtel, Physiker am Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam, erklärt den Sternenhimmel 2017, was SoFi-Freaks sind und wie man bei einer Mondfinsternis den Liegestuhl ausrichtet
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Herr Rendtel, am Freitag erklären Sie in der Kuppel im Urania-Planetarium den Sternenhimmel 2017. Wird der ganz besonders oder bieten Sie so eine Einführung jedes Jahr?
Die Veranstaltung gibt es seit einigen Jahren. Ich erzähle dabei immer, was man im neuen Jahr besonders gut sehen kann, was wann und wo am Sternenhimmel passiert.
Was passiert denn in diesem Jahr?
2017 sind weltweit insgesamt vier Finsternisse zu sehen. In Potsdam allerdings nur zwei, die beiden Mondfinsternisse. Für die beiden Sonnenfinsternisse müsste man reisen.
Dann reden wir zunächst über den Mond.
Der Mond verschwindet das erste Mal in der Nacht vom 10. zum 11. Februar. Um 1.44 Uhr steckt er am tiefsten im Erdschatten. Die zweite Mondfinsternis gibt es im August, in der Nacht vom 7. zum 8. und schon früher am Abend, ab Mondaufgang gegen 20.37 Uhr im Berliner Raum.
Wenn ich das rechtzeitig weiß, buche ich also schon jetzt einen Liegestuhl in einer Strandbar.
Ja, Sie müssen aber darauf achten, dass Sie freien Blick Richtung Osten haben, denn im Osten geht der Mond auf.
Eine Sonnenfinsternis gibt es dieses Jahr leider nicht bei uns?
Nein, hier nicht. Es gibt zwei, eine in den USA und eine ist über Südamerika und Afrika zu sehen. Und es gibt tatsächlich eine Menge Freaks, die zu jeder Sonnenfinsternis hinfahren.
Sie auch?
Ich zähle mich zu den gemäßigten Freaks.
Das heißt?
Ich fahre in die USA. Das ist noch gut zu erreichen. Dort findet am 21. August eine totale Sonnenfinsternis statt, das ist astronomisch die Nachfolge der SoFi vom 10. August 1999 in Süddeutschland. Bestimmte Phänomene wiederholen sich in festen Abständen, diese Sonnenfinsternis nach 18 Jahren, elf Tagen und acht Stunden. Und wegen dieser acht Stunden sind wir dann in Nordamerika. Die zweite Finsternis in Afrika ist nur was für die totalen Freaks. Das ist übrigens eine ringförmige SoFi. Der Mond erscheint dabei etwas kleiner als sonst, dadurch bleibt ein hell-leuchtender Ring der Sonnenscheibe übrig.
Muss man an einen bestimmten Ort fahren, um die Finsternisse zu sehen?
Nein, der Streifen, in dem beispielsweise die SoFi in den USA zu sehen ist, ist etwa 100 Kilometer breit.
Mögen Sie beim Beobachten Gesellschaft oder haben Sie lieber Ihre Ruhe?
Ich bevorzuge die Ruhe. Bei einer totalen Sonnenfinsternis wird es für etwa zweieinhalb Stunden deutlich kälter, manchmal kommt Wind auf, die Tierwelt verhält sich anormal, das wird richtig mystisch. Das kann man in der Stille viel besser wahrnehmen.
Was gibt es denn noch zu sehen oder verschwindet 2017 immer alles?
Es verschwindet tatsächlich noch was, wir können mehrere Mikrofinsternisse beobachten. Dabei bedeckt der Mond auch helle Sterne. Das ist meist sehr gut zu sehen, wenn auffallend helle Sterne schlagartig für etwa eine Stunde hinter dem Mond verschwinden. Das beginnt schon im Februar. Am 5. Februar schiebt sich der Mond vor Aldebaran, den hellsten Stern aus dem Sternbild Stier. Insgesamt verschwindet der vier Mal in diesem Jahr. Im Dezember passiert das dann auch mit dem Regulus, dem hellsten Stern aus dem Sternbild Löwe.
Gibt es 2017 auch was Besonderes zu sehen? Also etwas, das nicht verschwindet?
Die Venus, unser Abendstern, ist zurzeit wunderbar zu sehen und wird Ende März ein paar Tage lang sogar als Abend- und Morgenstern zu sehen sein, weil er abends nach der Sonne unter und morgens vor ihr aufgeht. Auch im November gibt es eine schöne Geschichte, dann stehen Venus und Jupiter so dicht, dass sie fast als ein Stern erscheinen, dabei sind sie tatsächlich räumlich unheimlich weit voneinander entfernt. Und natürlich gibt es wieder tolle Sternschnuppennächte um den 13. August und Mitte Dezember. Die werden in diesem Jahr besonders gut zu sehen sein.
Brauche ich, um all das zu sehen, besonderes Equipment?
Meine Anregungen sind für ganz normale Leute, ohne Spezialkenntnisse und Riesenteleskope, dafür mit viel Neugier und vielleicht noch einem Fernglas in der Schublade.
Wie ist denn Potsdam als Beobachtungsort geeignet? Ist es nicht zu hell gleich neben der Großstadt Berlin?
Potsdam ist eine gute Lage, relativ beobachtungsfreundlich. Meist reicht es, in einen dunklen Park zu gehen, in den Neuen Garten oder Babelsberger Park, oder irgendwo an den Stadtrand. Wer in Waldstadt wohnt, kann zum Beispiel in die Ravensberge gehen. Seeufer sind auch sehr gut, Schlänitzsee, Hermannswerder. Über dem Wasser ist es ja in der Regel dunkel und man sieht den freien Horizont.
Was erzählen Sie noch am Freitag?
Wenn die Runde nicht zu groß ist, gehe ich gerne auf individuelle Fragen ein. Zum Beispiel wenn jemand in diesem Jahr Urlaub auf der Südhalbkugel macht und wissen will, was es da zu sehen gibt. Außerdem gebe ich Tipps zum Fotografieren. Mit einer einfachen Kamera kann man tatsächlich schon sehr gute Bilder machen.
Die Fragen stellte Steffi Pyanoe
„Die Sterne 2017“ am morgigen Freitag um 19.30 Uhr im Urania-Planetarium, Gutenbergstraße 72. Der Eintritt kostet 5,50 Euro, ermäßigt 4 Euro
Jürgen Rendtel, 62 Jahre alt, ist Physiker am Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam in der Abteilung Physik der Sonne und arbeitet regelmäßig als Referent für die Urania und das Planetarium.
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