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Hoffnungsträger. Biokohle.

© M. Thomas

Homepage: Das Wunder der grünen Kohle

Ein altbekannter Rohstoff entfacht neue Hoffnungen als Energieträger. Ein Symposium der Agrarforscher in Bornim

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Mit einem kleinen Blechofen möchte Paul S. Anderson die Welt retten. Er ist verschachtelt wie eine Matrjoschka und gebaut aus billigem Blech oder Metallresten. In Entwicklungsländern vor Ort hergestellt verkohlt der Ofen Holz oder Abfälle. Ein Luft-Gasgemisch wird von unten durch die Brennstoffe geleitet. Das verlangsamt den Verbrennungsprozess und schützt diejenigen, die den Ofen befeuern. Zudem fördert es eine Kohle zutage, die, ähnlich wie Biokohle, herkömmlicher Holzkohle überlegen ist.

Anderson, dessen Verbrennungsofen 2005 prämiert wurde, propagiert sein Low-tec-Wunderwerk unermüdlich in der ganzen Welt. Beim Biokohle-Symposium des Leibniz-Instituts für Agrartechnik in Potsdam-Bornim (ATB) zeigt der emeritierte Professor eine ganze Batterie der Modelle seiner Wunderöfen. 20 internationale Experten diskutierten mit etwa ebenso vielen Teilnehmern in Potsdam eine Technologie, mit der große Hoffnungen verbunden sind.

Nicht ganz so euphorisch wie Anderson, aber gleichfalls restlos überzeugt von seiner Mission ist Bruno Glaser, Geowissenschaftler aus Halle. Er forscht über Biokohle. „Terra Preta“ („schwarze Erde“) ist der Stoff, aus dem nicht nur seine Träume sind. Es ist einer der fruchtbarsten Dünger, den die Menschheit bisher in die Erde eingebracht hat. „Die Tätigkeit der Bodenmühle, die Terra Preta entstehen lässt, hat den Indianern im Amazonasgebiet jahrhundertelang das Überleben gesichert“, stellt Glaser fest. Bei zahlreichen Reisen in den Jahren 1996 bis 2004 hat Glaser im Amazonasgebiet Bohrkerne entnommen, um das Rätsel der fruchtbaren Böden in Brasilien zu lösen. Denn der Dschungel steht in Brasilien an sich auf kargem Boden. Deshalb forschen Wissenschaftler weltweit nach dem Dünger und den chemischen Prozessen, die das üppige Grün sprießen lassen. Dabei stießen sie auf ein Wissen, das in vergangenen Jahrhunderten Siedlungen von bis zu 1000 Menschen im Urwald ein Überleben und üppige Ernteerträge ermöglichte, dann aber weitgehend verloren ging. „Wie weit die Ureinwohner ihre Düngungs- und Kompostierungsprozesse reflektiert haben, wissen wir heute nicht mehr. Aber es hat funktioniert“, urteilt Glaser. Im Amazonasbecken seien ganze Siedlungen immer wieder weitergezogen und hätten dabei den Boden mit ihren Hinterlassenschaften gedüngt. Die Besonderheit der Abfallverwertung lag darin, den Kompostierungsprozessen Kohlestücke beizumischen. Dadurch wurde der Abbauprozess optimiert, weil Mikroorganismen sich in dem porösen Material bestens ansiedeln konnten. Es entstand eine „schwarze Erde“, die auch heute noch Grundlage der fruchtbaren Böden ist. Ähnliche Düngungsprozesse in frühen Kulturlandschaften fanden Forscher auch in Afrika und Europa.

Weil die Industriegesellschaft nicht so viel Zeit wie die Eingeborenen hat, arbeiten Forscher nun an einer Simulation der Verkohlungsprozesse. Denn an das Endprodukt knüpfen nicht nur Wissenschaftler, sondern auch kommerziell orientierte Unternehmen große Hoffnungen. Biokohle soll den Kohlendioxidausstoß bremsen, einen optimierten Brennstoff und Dünger liefern und am besten auch noch die kommunalen Finanzhaushalte sanieren. „Vieles, was heute ungenutzt auf den Acker geworfen wird, ließe sich viel effektiver verwerten“, beklagt Glaser. Ein Feldversuch in Brandenburg hat ergeben, dass sich die Erträge auf dem Acker mit Biokohle um 80 Prozent steigern lassen. Gülle und Grünzeug, das in Biogasanlagen dürftig vergoren und dann als stinkender Brei aufs Land geworfen werde, ließe sich ebenfalls zu Biokohle komprimieren.

Zwei verschiedene Verfahren sind zur Herstellung der grünen Kohle geeignet. Bei der „hydrothermalen Carbonisierung“ werden die mehr oder weniger flüssigen Abfälle in eine Art Dampfdrucktopf gegeben und mit Wasser als Katalysator und Zitronensäure bei fast 200 Grad erhitzt. Heraus kommt eine hochfruchtbare Brühe, die auch getrocknet und dann als Dünger verwendet werden kann. Beim zweiten Verfahren, der Pyrolyse, werden trockene Pflanzenreste unter Sauerstoffausschluss bei mehreren Hundert Grad verschwelt. Es entsteht sehr poröse Biokohle, die Nährstoffe und Wasser bestens speichert. In den Boden eingebracht verrottet sie nur sehr langsam und bindet langfristig Kohlendioxid.

Auch kommunale Klärabfälle, die heute noch ungenutzt und übel riechend entsorgt werden, ließen sich zu Biodünger verarbeiten, so Glaser. 300 000 Euro würde eine entsprechende Anlage die Kommune kosten. Weil gegenwärtig eine Tonne Biokohle 400 Euro koste, rechne sich der Einsatz schnell. „Wir wissen aber noch längst nicht alles über die chemischen Prozesse bei der Entstehung der Kohle. Was wir bis jetzt an verschiedenen Verfahren zusammengestellt haben, ähnelt eher einem Kochbuch als einer wissenschaftlichen Systematik“, räumt der Agrarforscher ein. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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