zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Das wundersame Verschwinden von sieben Säcken Putz

Staatsanwalt: Schwierigkeiten bei der Wahrheitsfindung

Stand:

Staatsanwalt: Schwierigkeiten bei der Wahrheitsfindung AUS DEM GERICHTSSAAL Von Gabriele Hohenstein Sind die Angeklagten wirklich unschuldig, oder wollten sie sich womöglich bei ihrem früheren Arbeitgeber für die Kündigung rächen? Der Chef einer Baufirma bezichtigt Andreas A.* (31) und Michael B.* (32), am hellen Vormittag des 30. November 2002 sieben Säcke Putz gestohlen zu haben. Augenzeugin soll des Bauunternehmers Töchterlein gewesen sein, das zumindest einen der vermeintlichen Langfinger aus seiner früheren Tätigkeit gut kannte. „Wir haben an dem Tag einen Umzug für einen Kumpel gefahren“, erklärt Andreas A. vor Gericht. „Das bedeutet, wir haben Möbel geschleppt, aber keine Putzsäcke.“ Michael B. ergänzt: „Das Nachbarhaus wurde saniert. Aber dem haben wir uns überhaupt nicht genähert.“ Irina C.* (24) hingegen beteuert im Zeugenstand, sie habe genau beobachtet, wie zwei Männer mehrere Säcke aus besagtem Objekts trugen. „Einer von ihnen war Andreas A. Ich habe ihn gefragt, was das soll. Da hat er mir geantwortet, er habe die Genehmigung meines Vaters“, so die Tochter des Firmeninhabers. „Das stimmte natürlich nicht“, erregt sich Gernot C.* (56) noch im Nachhinein. Sofort habe er sich auf die Baustelle begeben und „rechnerisch ermittelt“, dass ihm mindestens sieben Säcke Putz im Gesamtwert von 500 Euro gestohlen wurden. „Der muss aber vergoldet gewesen sein“, wirft Amtsrichterin Kerstin Devriel ironisch ein. „Im Baumarkt kostet ein Sack Putz zwischen vier und fünf Euro.“ Hannes D. * (59) erinnert sich: „Ich arbeitete damals im Flur des zu rekonstruierenden Hauses und hatte zwei Säcke Putz vor den Eingang gestellt. Andreas A. kam vorbei und sagte, er würde sie mitnehmen.“ Er habe nichts Böses vermutet, gesteht der Bauhelfer. „Ich dachte bloß noch, Donnerwetter, der hat aber Power.“ Dass Michael B. ebenfalls Säcke transportierte, habe er nicht gesehen. Als Ina C. später verlauten ließ, es sei Material verschwunden, sei ihm der Vorfall wieder bewusst geworden. „Ich habe den Verdacht, dass Sie da mit drinhängen. Und vielleicht auch noch andere“, vermutet der Staatsanwalt. Er regt an, das Verfahren „wegen der vielen Unwägbarkeiten, die Wahrheit herauszufinden“, einzustellen. Das Gericht stimmt dem zu. (*Namen geändert.)

Gabriele Hohenstein

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })